„Wir müssen besser vermitteln, wie Wissenschaft funktioniert“

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WZ | Eva Stanzl

In Österreich besteht eine “Neigung zu Kritik und Skepsis gegenüber Wissenschaft und Demokratie“ und diese Ablehnung zieht sich durch alle Altersstufen. Was sind die Gründe?

Helga Nowotny

Für mich ist das wichtigste Ergebnis der neuen Studie, die Sie ansprechen, dass ein starker Zusammenhang zwischen Demokratie und Wissenschaft herausgekommen ist. 1942 hat der Wissenschaftssoziologe Robert K. Merton (1910-2003) einen Artikel geschrieben zu der Frage, ob Wissenschaft unter einem totalitären Regime florieren kann. Seine Antwort war nein, es braucht Demokratie, damit Wissenschaft gedeihen kann.

WZ | Eva Stanzl

Was meinen Sie damit genau?

Helga Nowotny

Totalitäre Regime sind zwar fähig, Technik zu benützen – im Zweiten Weltkrieg ging es darum, aufzurüsten und Waffen zu produzieren -, aber die Wissenschaft braucht die Freiheit. Es ist freilich keine unbegrenzte Freiheit, die die Wissenschaft in freien Demokratien genießt, sondern eine Freiheit mit Normen, die das Ethos der Wissenschaft umrahmt. Eine dieser Normen ist organisierter Skeptizismus: Keine wissenschaftliche Behauptung wird als bare Münze akzeptiert. Sondern von denjenigen, die eine wissenschaftliche Behauptung aufstellen, wird gefordert, sie nach bestimmten Regeln nachzuweisen und zu begründen. Die Begründung wiederum muss der kollektiven Einschätzung der Scientific Community standhalten.

WZ | Eva Stanzl

Was ist mit Wissenschaftsskepsis gemeint und warum ist das Thema überhaupt wichtig?

Helga Nowotny

So, wie wir das Wort „Wissenschaftsskepsis“ gebrauchen, heißt es ja nichts anderes, als ohne weitere Begründung und ohne weiteres Verständnis wissenschaftliche Tatsachen abzulehnen. An sich ist das eine Pervertierung des Wortes Skeptizismus, der für eine produktive, konstruktive Haltung in der Wissenschaft steht, wie wir sie auch von Staatsbürger:innen verlangen sollten. Skeptizismus ist eine Einstellung, eine Haltung, um nicht alles zu glauben, was jemand sagt, sondern im Sinne der Aufklärung zu argumentieren und zu verlangen, dass es so etwas wie eine Beweisführung gibt und der Diskurs nach bestimmten, akzeptierten Regeln abläuft. Eigentlich müssten wir diese Praxis fördern, indem wir sagen: Ich verlange von dir, dass du ernsthaft mit mir argumentierst, mir Beweise bringst. “Science is what we have learned about how to keep from fooling ourselves“”, sagte der US-Physiker Richard Feynman (1918-1988): Wissenschaft ist, was wir gelernt haben zu tun, um zu vermeiden, dass wir uns selbst belügen. Um also einen wissenschaftlichen Skeptizismus zu ermutigen, kann man fragen: Willst du es wirklich wissen und wissenschaftlich vorgehen oder dich selbst täuschen?

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