Trauerarbeit – Liebe mit Nebenwirkungen

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Ist Trauer eine Krankheit? Oder gehört das Leid nach dem Verlust eines geliebten Menschen nun einmal zum Leben dazu – quasi als unvermeidliches Nebenprodukt der Liebe? Die Psychologin und Autorin Anne Cathrine Bomann hat sich in ihrem neuen Roman, “Blautöne”, einem ethisch anspruchsvollen Thema zugewandt.

Dänemark, 2024. Die Chemikerin Elisabeth Nordin leidet nach dem Tod ihres Sohnes unter dem, was Psychologen als “lang anhaltende Trauerstörung” bezeichnen. Will heißen: Sie findet nicht mehr zurück ins Leben, der Bewältigungsprozess nach dem Verlust läuft nicht, wie er soll. Elisabeths Trauer gilt als pathologisch.

© hanserblau

Irgendwann beschließt Elisabeth, ein Medikament zu entwickeln, um anderen Trauernden – und auch sich selbst – die Qualen dieser “Krankheit” zu erleichtern: Die rosa Pillen mit dem Namen Callocain werden von einer befreundeten Wissenschafterin in eine Studie der Universität Aarhus aufgenommen, und das Medikament steht kurz vor Markteinführung.

Was für den Pharmakonzern eine Erfolgsgeschichte ist, bereitet dem Psychologieprofessor Thorsten Gjeldsted – am Institut aufgrund seiner Eigenwilligkeit als querulanter Verschwörungstheoretiker verschrien – große Sorgen. Dieser stellt nämlich fest, dass bei manchen Probanden zusammen mit der Trauer auch die Erinnerungen an die geliebte Person sowie die Fähigkeit zur Empathie schwinden. In Einzelfällen nimmt dies gar psychopathische Ausmaße an. Thorsten schlägt Alarm, aber die Kollegen beschwichtigen und berufen sich auf statistische, für das Gesamtbild unbedeutende “Ausreißer”.

Zwei Studentinnen stehen Thorsten zur Seite, Shadi und Anna; beide Frauen spielen in der Universitätshierarchie jedoch nur eine untergeordnete Rolle und kämpfen zudem mit ihren eigenen Dämonen. Der Konflikt zwischen den ungleichen Gegnern – Idealisten kontra Pharmakonzern – nimmt Fahrt auf und der Roman wird zum Wissenschaftskrimi.

Es wäre billig, das ethische Dilemma allein auf Reputation, auf Machtkämpfe und auf das schnöde Geld zu reduzieren. Zum Glück schafft es die Autorin bravourös, simples “Wirtschaftsbashing” zu vermeiden. Die Grundfrage des Romans ist und bleibt letztendlich, ob die Liebe ihre Schmerzen wert ist.

Ein schönes Buch – auch optisch, haptisch und mit all seinen Nebenwirkungen.

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