Markus Mair ist CEO der Styria Media Group (“Die Presse”, “Kleine Zeitung”) und Präsident des Verlegerverbandes VÖZ. Bei der Entstehung des neuen ORF-Gesetzes, das Anfang Juli im Parlament beschlossen werden wird, konnten die Verlage ihre Interessen nicht durchsetzen. Nun ist Ursachenforschung angesagt.
“Wiener Zeitung”: Mit dem ORF-Gesetz liegt die größte medienpolitische Reform der letzten Jahre auf dem Tisch. Wie wird sie sich auf die Verlagslandschaft und Zeitungen auswirken?
Markus Mair: Ich würde hinterfragen, ob das ein Reformvorhaben ist. Hätte man eine echte Reform gewollt, hätte es sich nicht nur um den ORF gedreht, sondern um den ganzen Medienstandort. Durch das eklatante Marktversagen stehen die Verlage vor so großen ökonomischen Verwerfungen, dass sie das alleine nicht bewältigen können. Die Politik hat aber bestimmt, dass es ausschließlich um den ORF geht, dem man mehr Möglichkeiten und mehr Geld gibt. Gleichzeitig demontiert man aber ein anderes im Eigentum der Republik stehendes Medienunternehmen, die “Wiener Zeitung”, ohne dringende budgetäre Notwendigkeit. Das ist die Chuzpe der ganzen Angelegenheit.
Der ORF wird künftig über die Haushaltsabgabe abgesichert, die die GIS-Gebühren ersetzt und ausweitet. Gleichzeitig erhält aber der ORF neue Möglichkeiten, sich digital zu erweitern. Warum muss das sein? Hätte man es nicht auch nur bei der Finanzierung belassen können?
Die Politik dementiert, dass es möglich gewesen wäre, nur das eine zu machen. Aber das Gesetzesvorhaben wurde ja nicht einmal in der Tiefe diskutiert. Man wollte die Angelegenheit seitens der Politik einfach nur schnell vom Tisch haben. Und maximal mit dem Lineal ein paar Millimeter links oder rechts justieren. Eine große Reform sieht anders aus. Die Haushaltsabgabe halte ich per se für praktikabel. Ich stehe auch dazu, dass es eine starken öffentlich-rechtlichen ORF braucht. Dinge wie Radio Ö1, das für die Kulturnation unverzichtbar ist, wären von Privatunternehmen nie zu finanzieren gewesen. Das gilt auch für ORFIII und Teile von ORF2. Die Haushaltsabgabe hätte aber auch die Chance geboten, dass die privaten Haushalte in einen Medientopf einzahlen, aus dem der gesamte Medienstandort gefördert wird. Aber über diese Idee wurde ja nicht einmal gesprochen.
Hat man hier seitens der Regierung eine Chance verpasst, den Medienstandort abzusichern? Warum sind Sie bei der Politik nicht durchgekommen?
Weil keiner zugehört hat und es auch keinen der aktuellen Entscheidungsträger interessiert hat. Auch die Verwendung der zweiten Finanzierungsquelle, der Digitalsteuer, ist genauso problematisch. Die macht bereits 120 Millionen Euro aus, die aber zum großen Teil ins Budget fließen. Nur 20 Millionen gehen in die Digitalisierungsförderung. Auch hier wäre es möglich gewesen, die Steuererlöse wieder in den Standort zurückfließen zu lassen.
Wie kann das eine verantwortungsbewusste Medienpolitik zulassen?
Ich denke, weil das alles aus einer Momentaufnahme entstanden ist und die mittelfristigen Auswirkungen in der Fortschreibung des digitalen Medien Marktes praktisch keine Berücksichtigung fanden. Und für deren Beurteilung muss man kein Hellseher und auch kein Experte sein.
Was ist die Konsequenz daraus für die österreichischen Verlage?
Ich glaube nicht, dass es bei den Werbeerlösen zu massiven wettbewerblichen Konsequenzen kommt. Aber bei den Vetriebserlösen, sprich Abos und Verkauf, kommt es jetzt zu einer Konkurrenzsituation in jedem Haushalt. Gerade in angespannten Zeiten überlegt man sich, wie viel man für Medienabos ausgeben kann. Da müssen wir uns jetzt gegen die ORF-Haushaltsabgabe, die man ja bezahlen muss, matchen. Das erfordert von den privaten Häusern doppelte und dreifache Anstrengungen, um ihre Abozahlen halten oder steigern zu können. Mit den neuen Möglichkeiten im digitalen Raum wird der ORF zu einer noch größeren Macht, als er heute schon ist. Das kann durchaus dazu führen, dass der politisch besetzte ORF eine Meinungsmacht bekommt, die sich ein vernünftiger Demokrat nicht wünschen sollte.
Bei manchen Verlagen scheint es eine ökonomische Schieflage zu geben. Einschnitte in Redaktionen stehen an der Tagesordnung. Wäre das mit adäquater Förderung zu verhindern gewesen?
Es wäre zu verhindern, wenn der Staat diesem Marktversagen etwas entgegenhalten würde. Wenn man sich andere Förderlandschaften ansieht, etwa die Exportförderung oder die Förderung von Kunst- und Kultur, wirken die Förderungen für Medien tatsächlich verschwindend klein dagegen. Man darf auch nicht vergessen, dass Förderungen in Medien immer Investments darstellen. Niemand verdient sich hier eine goldene Nase. Mit dem massiven Kostenauftrieb und dem Schrumpfen am Werbemarkt wird sich das für den einen oder anderen Verlag einfach nicht mehr ausgehen. Wir reden hier auf Sicht von ein bis drei Jahren.
Ist das nicht auch problematisch, wenn sich Zeitungsmarken als angeschlagen präsentieren?
Niemand stellt sich gerne als wirtschaftlich schwach dar. Dass man als Verband nicht beliebt ist, ist auch klar. Aber es geht um die lebendige Demokratie und die vierte Säule im Staat. Und wenn diese Säule nachweislich – anhand von Zahlen dokumentiert – in eine Situation hineinläuft, in der sie zu erodieren beginnt, dann muss man dagegen auftreten: Das ist einfach Plicht. Dass wir stark sind, können wir jeden Tag journalistisch beweisen – und unsere Kolleginnen und Kollegen machen einen tollen Job unter schwierigen Rahmenbedingungen. Da dürfen wir niemals Schwäche zeigen. Aber es ist auch eine Erkenntnis, dass man mit weniger Ressourcen auskommen muss.