Musikverein – Entstehen und vergehen

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Bevor etwas verschwinden kann, muss es da sein – oder sogar erst ankommen. Entstehen. Das gilt für jedes Lebewesen, genauso für jeden Ton, jeden Klang. “Im Entschwinden” ist der Titel eines Werkes des Komponisten Mark Andre, in Auftrag gegeben von der Elbphilharmonie Hamburg sowie der Gesellschaft der Musikfreunde, nun uraufgeführt im Musikverein. Ganz passend dazu ausgewählt der zweite Programmpunkt des pausenfreien Abends: Gustav Mahlers Zweite Symphonie, in deren von Chor und Vokalsolisten unterstützten Schlusssatz es heißt: “Was entstanden ist, das muss vergehen! Was vergangen, auferstehen!” Auch Andre geht es in seiner Musik um christliche Glaubensinhalte, eine weitere Gemeinsamkeit.

Um beides kümmern sich im Großen Saal das Orchestre de Paris und Klaus Mäkelä am Pult. Mit abgewinkeltem, langsam ausgreifendem linken Arm eröffnet der Finne, noch ist nichts zu hören. Es wirkt, als habe er mit dieser Geste nur eingeladen, was Sekunden später aus weit entferntem Pianissimo langsam anschwellend die Gehörgänge erreicht. Geigenwogen, Celli-Unruhe, Händereiben, angerissene Motive. Bei steigender Dynamik einzelne Blech-Ausbrüche wie ein Ruf “Hier bin ich”, ehe all diese Erscheinungen wieder entschwinden, hin zu einem unerwartet raschen Ende und zu Mäkeläs wieder eingenommener Ausgangsgestik. Diese hält er, bis Mahler beginnt, wodurch sich die Werke organisch verbinden.

Die fünfsätzige Zweite Symphonie ist ein Monster-Werk, 90 Minuten lang. Genau leuchtet Mäkelä alle Ecken aus, sein Orchestre de Paris agiert nicht nur in den Ecksätzen hochkonzentriert, mal gewaltig brausend, mal überaus behutsam. Auch die Mittelsätze fließen bewegt dahin; Mäkelä formt eine zusammenhängende Einheit, setzt schließlich den Chor (Wiener Singverein) als weitgehend zurückgenommenes Instrument ein. Wiebke Lehmkuhl gelingt ihr Alt-Solo gefühlvoll und klangschön, Sopranistin Christiane Karg kann in Sachen Klarheit und Kraft noch eine Schippe drauflegen.

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