Mit 42 hatte Marko Doringer sein erstes Burnout schon hinter sich, an eine vernünftige Pension ist nicht zu denken, und im Zentrum seines Lebens steht: die Arbeit. Beste Voraussetzung, um in bewährter Doringer-Manier einen Dokumentarfilm über sich selbst zu drehen. “Mein Wenn und Aber” ist nach “Mein halbes Leben” und “Nägel mit Köpfen” die dritte filmische Selbstreflexion dieses Salzburger Filmemachers, der sich darin zwar simple, aber elementare Fragen stellt. Etwa: “Warum ist mir meine Arbeit so wichtig?” Und: “Geht sich ein Kind da überhaupt aus?” Seine Partnerin Marlene ist mit 35 Jahren so weit, den Kinderwunsch in die Tat umsetzen zu wollen, aber wird das ihr Mann Marko auch tatsächlich bewerkstelligen können, auch und vor allem nach der Geburt, wenn es Vaterpflichten gibt? “Werde ich ein guter Vater sein?”, fragt er sich, mit lethargisch-verzweifeltem Unterton. “Mein Wenn und Aber” ist ein Film aus Männersicht, der versucht, die Frauen zu verstehen, sie zu hören und mitzufühlen. Aber Doringer gelingt das nur bedingt. Zu sehr kreisen seine Gedanken um den anderen Eckpfeiler seines Lebens: das Filmemachen. Was natürlich absurd ist: Denn nichts anderes als die Befindlichkeit seiner Familie ist ja Thema dieses Films.
Ein Faszinosum
Das macht die Filme Doringers zu einem Faszinosum: Sie sind so spezifisch an seine Person gekoppelt, und zugleich so universell, dass man nicht lange braucht, um hineinzukippen. Auch, wenn die Geschichten seiner Freunde, die er mit der Kamera besucht und von denen er ebenfalls den Status quo ihres Liebes-, Beziehungs- und Eltern-Lebens abfragt, lange nicht mit der Nähe zu sich und seiner Familie mithalten können, so liefern sie doch die “Beweise” für eine allgemeine Erschöpfung der Gesellschaft in punkto Geschlechterdebatten, Frauen- und Männer-Rollen, Klischees und andere partnerschaftliche Niederungen. Auch, wenn sich Doringer ausschließlich in seiner “Bubble” aufhält und ausnahmslos Filmleute vor seine Kamera bittet, die es leidvoll gewohnt sich, sich von Projekt zu Projekt zu hangeln, ohne jemals die Garantie zu haben, dass die geleistete Arbeit sich in einen Film übersetzen lassen wird, so ist “Mein Wenn und Aber” eben trotzdem auch ein allgemeingültiger Blick auf Arbeits- und Familienleben in Zeiten knapper werdender Ressourcen, enttäuschter Träume und falscher Idealvorstellungen vom Leben.
Auch bei Regie-Kollegin Catalina Molina (die unter anderem “Tatort”- und “Landkrimi”-Folgen dreht) und ihrem Mann Paul-Julien Robert (“Meine keine Familie” über dessen Kindheit in Otto Muehls Kommune) taucht Doringer ein in den Erziehungsalltag, der das Paar und seine zwei Töchter immer wieder auf Proben stellt, gerade in Hinblick auf die Vereinbarkeit von Beruf und Elternschaft. Auch andere Kollegen begleitet Doringer um die halbe Welt, um Beziehungsentwürfe abzubilden. Am stärksten aber ist der Film, wenn Doringer seine eigene Familie betrachtet; vom dominanten Vater, der Doringers Mutter als “reinrassige Hausfrau” bezeichnet, geht der größte Druck aus: Er wünscht sich für den filmemachenden Sohn endlich eine “gscheite” Arbeit, von der man auch leben kann. Und zeichnet damit das Bild einer ganzen Generation an Männern, die heute in ihren 40ern sind: Ihre Weltoffenheit ist – auch dank ihrer oftmals althergebrachten Erziehung – meist nicht mehr als ein Schlagwort. So darf der Zuschauer ein wenig rätseln, welche Wertigkeit die Vaterschaft für Doringer am Ende einnehmen wird. Es gibt da in Wahrheit ja nur eine Lösung, und die hängt nicht wirklich davon ab, ob die Filmförderung dem nicht mehr ganz jungen Mann eine Zusage für sein nächstes Projekt erteilt.