Einst waren drei Brüder und eine Schwester: Zeus, Poseidon, Hades und Hera. Die Schwester heiratete – nachdem Zeus seinen Vater Kronos besiegt, die Geschwister gerettet und die Titanen in den Tartaros eingekerkert hatten – ihren Bruder und übernahm gemeinsam mit ihm die Herrschaft über den Olymp und die Erdoberfläche, während Poseidon Herrscher über die Meere wurde und Hades die Unterwelt, also das Totenreich, übernahm.

Zagreus verscherzt es sich fast mit seinen neuen Freunden Morpheus, Daphne und Philotes.
– © Aus: Lucy K. Walker: “Die Schule der kleinen Götter” (Baumhaus 2023)
Soweit so bekannt. Weniger bekannt ist die Geschichte, die Hades versuchte, die Herrschaft über den Olymp zu erlangen, und zwar mit Hilfe seines Sohnes Zagreus. Nun, das könnte natürlich auch daran liegen, dass es sich hier um keine tradierte griechische Göttersage handelt, sondern um eine Coming-of-Age-Geschichte von Lucy K. Walker, in der sie einerseits die antike Mythologie kindgerecht nacherzählt – beziehungsweise deren Götter und Helden beschreibt, ohne allzu sehr ins Detail zu gehen, was ihre jeweiligen Geschichten angeht – und andererseits ihren jungen Lesern erklärt, wie wichtig Ehrlichkeit und Freundschaft sind.

Moralisierend ist “Die Schule der kleinen Götter” aber nicht, dafür rasant und wild. Und das liegt gar nicht so sehr am – in diesem Buch eigentlich handzahmen – Höllenhund Kerberus, mit dem Zagreus an der Olympia Akadamie ein Wagenrennen bestreitet, sondern an vielen anderen Ereignissen an der Olympia Akademie, die Zagreus besuchen darf. Damit geht für ihn ein Traum in Erfüllung, wollte er doch schon längst dem Totenreich entfliehen. Was er nicht weiß: Sein Vater Hades erlaubt ihm den Schulbesuch mit dem Hintergedanken, dass die zehn Aufgaben, die er ihm als Bedingung dafür auferlegt, auf dem Olymp für Chaos sorgen werden.
Und so freundet sich Zagreus zunächst mit Nachwuchs(halb)göttern wie Morpheus, Daphne, Philotes und sogar Herakles an – nur um im nächsten Moment durch die Intrigen seines Vaters diese Freundschaften fast zu verlieren. Wir fiebern mit dem jungen Antihelden mit, wenn er von seinen Schwestern, den Furien, gehänselt und von den Zwillingen Deimos und Phobos gedisst wird, zu spät draufkommt, welchen Schaden er anrichtet – und am Ende doch noch seinen Vater besiegt und alles zum Guten wendet (na klar, es ist ja doch ein Kinderbuch). Allzu viel lernt man dabei zwar nicht über die griechische Götterwelt, was über die Namen und Funktionen hinausgeht, aber es ist einmal ein unterhaltsamer Einstieg in die hellenische Mythologie.