“Eugen Onegin” – Eine zeitlose Tischgesellschaft

0
37

Dmitri Tcherniakovs Inszenierung von Tschaikowskis “Eugen Onegin”, aktuell als Wiederaufnahme an der Staatsoper zu sehen, ist gerade einmal zweieinhalb Jahre alt, doch hat das Zeug zum zeitlosen Klassiker. Es gibt in ihr keine Modernismen, nur zur Epoche der Uraufführung passende Dekors und Gewand im Stil des 19. Jahrhunderts. Die dramaturgische Klammer der drei Akte bildet die stete Personenanordnung um einen rollbaren Tisch, der von solchen Ausmaßen ist, dass er die XL-Variante jenes Konferenzmöbels sein könnte, an dem der russische Präsident westliche Staatsgäste buchstäblich auf meterlangem Abstand hielt.

Diese Idee der Tischgesellschaft kann man eintönig finden oder konsequent, jedenfalls funktioniert Tcherniakovs Erzählung der Geschichte um den scheiternden Dandy Onegin. Definitiv keine gute Idee aber bleibt die Platzierung des Tisches in der Tiefe des Bühnenraumes, was zur Folge hat, dass kaum ein Ensemblemitglied dauerhaft ungefährdet zum Publikum durchdringen kann. Mit Ausnahme von Onegin-Sänger Étienne Dupuis. Er verfügt über solche Reserven, dass er selbst von ganz hinten bemerkenswert kraftvoll klingt. Nicole Car, als Tatjana bereits in der Premiere dabei, macht indes das Szenenbild zu schaffen, ihren fein gearbeiteten Sopran setzt sie vermutlich deshalb wohldosiert ein. Nicht allein in der Briefszene spielt Car überdies ihre ganze darstellerische Klasse aus. Maria Barakovas präsentiert Lenskis Verlobte Olga souverän und klangschön, während Iván Ayón Rivas merklich um genügend Dynamik ringen muss. Sein Lenski rührt zutiefst als trauriger Clown (ohne Schminke) an, der verzweifelt um seine Geliebte kämpft.

Das unter dem 2020er-Premierendirigenten TomᚠHanus bestens eingestellte Staatsopernorchester gibt schon im intensiven Vorspiel eine klare Richtung vor: geradlinig, schnörkellos und zugleich alle Dramatik pathosfrei ausbreitend. Und hält dies voller Elan bis zum letzten Takt durch. Chapeau.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein