Feuer und Wasser, das sind die beiden Pole, die sich im Grunde immer ausgeschlossen haben. Das eine Element ist der Feind des anderen, größer können Gegensätze nicht sein. Was für eine Ausgangslage für einen Animationsfilm aus dem Hause Pixar! Dort liebt man schon immer die gehaltvolle, metaphernschwere Unterhaltung, bei der der Lerneffekt gar nicht auffällt, sondern der Spaß im Vordergrund steht. Und natürlich auch große Gefühle. Man wäre verleitet, im Fall des neuen Pixar-Films “Elemental” Phrasen wie “Nahe am Wasser gebaut” oder “Wie Feuer und Wasser” zu verwenden, so aufgelegt wären derlei Redewendungen in Hinblick auf den Plot des Films.
Zu Besuch bei den Elementen
“Elemental” spielt in Element City, wo sonst? Dort leben Wesen, die sich aus einem der vier Elemente zusammensetzen, also aus Wasser oder Feuer oder Erde oder Luft. Gegensätze sind vorprogrammiert, und diese ziehen sich ja bekanntlich magisch an. Wobei: Das Feuermädchen Ember und der Wasserbub Wade können zu Beginn noch nicht sehr viel miteinander anfangen – schließlich sind sie eigentlich das Gegenteil voneinander. Doch dann verbringen die beiden immer mehr Zeit zusammen und finden heraus, dass sie doch nicht so viel trennt, wie man gemeinhin denken könnte. Und auch, dass es um mehr geht als Freundschaft – hier sprühen im wahrsten Sinn des Wortes die Funken. Er, der Bub aus kulturinteressiertem Hause, sie das Mädchen armer Zuwanderer – auch diese scheinbar unüberbrückbaren Klassenunterschiede nivelliert der Film bald und in typisch gewitzter Pixar-Manier.
Hinter all dem steckt natürlich ein ernster Gedanke, denn “Elemental” ist eine Parabel über Migration und ihre Folgen, über die Sehnsucht, dazuzugehören und die Realität, ganz schön allein im Leben zu stehen. Gegenpole werden hier plakativ von Widersachern zu Freunden und wieder zurück; der Film bildet jede Menge klassischer Klischees über Fremde und über das Unbekannte ab, um sie einerseits zu bemühen, andererseits auszuhebeln und neu zu denken. Das macht er in ziemlich schlauer Manier, weil er für die vielen Situationen, in denen Feuer und Wasser hier aneinandergeraten, so unglaublich viele visuelle Einfälle hat, dass es einem schwerfällt, sie treffend zu beschreiben.
Metaphern und der persönliche Blick
“Elemental” ist dank seiner Machart und der ausgeklügelten Dramaturgie auch in der Welt der Filmkunst angekommen. So war er heuer etwa der Abschlussfilm des Filmfestivals in Cannes, wo Animationsfilme eher selten zum Teil der offiziellen Auswahl gehören. Aber Pixar schafft das immer wieder. Das liegt am Ende sicherlich auch daran, dass der Film sich nicht bloß seelenlos von einer Metapher zur nächsten hangelt und dabei den moralischen Zeigefinger schwingt, auf dass wir alle bessere Menschen werden; nein, bei Pixar muss die Geschichte immer auch eine persönliche Komponente aufweisen. Regisseur Peter Sohn ist beispielsweise als Flüchtlingskind in die USA gekommen. Sein Vater war 1971 mit 150 Dollar in der Tasche vor der südkoreanischen Diktatur nach New York geflohen. Dort verkaufte er Brezel an einem fahrbaren Stand, legte jeden Penny auf die Seite, um später einmal ein richtiges Geschäft eröffnen zu können. Das hat Peter Sohn geprägt; es hat ihn gelehrt, unter welchen fundamentalen Entbehrungen Menschen aufwachsen können. Es hat ihm gezeigt, wie es ist, ein Außenseiter, ein Fremder zu sein. Im Grunde war seine Jugend die ideale Vorbereitung auf “Elemental”, und das merkt man diesem Film auch an. Das Herzblut, dass Sohn in den von John Hoberg und Kat Likkel geschriebenen Film gelegt hat, zeichnet ihn aus. Und Pixar.
“Elemental” zeigt noch dazu, dass Feuer und Wasser trotz aller Gegensätze zusammengehen, und das nicht nur im Begriff Feuerwasser, den die Westernliteratur gerne für Whiskey gebraucht; es geht um mehr: Darum, wie Wasser und Feuer ein Flammenmeer bilden, an dem man sich nicht verbrennt und in dem man auch nicht untergehen kann.