David Schalko – Pandemischer Müßiggang

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Covid, Long-Covid oder Post-Covid sind inzwischen feste Bestandteile des Alltagsvokabulars geworden. Auch in der Literatur hat die Corona-Pandemie längst ihren Niederschlag gefunden (im Fernsehen hingegen so gut wie nicht; Maske trägt in den Filmen und Serien niemand), von Juli Zeh über Thea Dorn bis Marlene Streeruwitz.

David Schalkos neuer Roman, “Was der Tag bringt”, darf bereits dem Genre “Post-Covid” zugerechnet werden. Sein Held Felix, Anfang 30, hat im Zuge der Pandemie seine Firma aufgeben müssen. “Wastefoods” hieß sein Catering-Unternehmen, das sich aus Lebensmitteln speiste, die andernfalls weggeworfen worden wären – aus Nachhaltigkeitsperspektive absolut progressiv, unter Pandemiebedingungen allerdings zum Scheitern verurteilt.

© KiWi

Dieser Felix, ein Vollblutunternehmer, der alle abhängig Beschäftigten mitleidig belächelt, steht nun vor der großen titelgebenden Frage, was denn der Tag so ohne Arbeit, ohne Ziel, ohne Aufgabe bringen mag. Geld von der Bank gibt’s nicht mehr, Felix veräußert nach und nach seine Besitztümer, und seine geerbte Wohnung muss er fortan für mindestens acht Tage im Monat untervermieten, um halbwegs über die Runden zu kommen. Für diese Zeit praktiziert er eine Art Couch-Hopping und kommt bei Freunden, Bekannten und ehemaligen Partnerinnen unter.

Irgendwann landet er in einem eigenartigen Hotel namens “Jeu Zero”, in dem die Übernachtung spottbillig ist, aber noch die kleinste Handlung (Wasserhahn aufdrehen, einen Barhocker benutzen, das Zimmer verlassen) extra kostet. Dort lernt er einen britischen Autor kennen, der eine Kolumne darüber schreibt, was man den lieben langen Tag tut, wenn man nichts zu tun hat. Er überlässt Felix für ein paar Tage eine geheimnisvolle Kreditkarte ohne Limit, doch auch dieses Leben ohne finanzielle Einschränkungen bringt wenig Erfüllung. Am Ende erleben wir Felix ganz unten, er lebt auf der Straße und erzählt den anderen Obdachlosen irgendwelche erfundenen Lebensgeschichten.

David Schalko, dem wir wunderbare literarische (“Bad Regina”) und filmische (von “Aufschneider” bis zu “Braunschlag”) Grotesken verdanken, hat diesmal ein eigenartiges Buch geschrieben: eines mit gedämpftem Humor, viel surrealem Delir und vielleicht zu viel dichterischem Anspruch. Es ist die Geschichte eines nahezu vollständigen Identitätsverlusts – nur dass die Identität, die auf 300 Seiten verloren geht, von Anfang an schemenhaft bleibt. “Denk dran. Sie können dir alles nehmen. Nur dich selbst nicht”, sagt der Bankberater zu Felix. Der Roman widerlegt diese Sentenz nachhaltig, aber weder ist klar, wer diese “sie” sind, noch, was dieses “selbst” im Falle von Felix eigentlich ausmacht.

Der Roman geizt nicht mit grotesken Szenen, aber insgesamt hängt die Groteske in einem luftleeren Raum. Dazu passt, dass Schalko statt spritziger Dialoge diesmal vor allem sentenzenhaften Gedankenaustausch zu bieten hat. Ins Extrem geführt wird das, wenn zweimal fast eine Seite lang Klosprüche zitiert werden (“Das Klo ist der beliebteste Ort bei den Intellektuellen”). An vielen Stellen ahnt man, was für eine bitterböse Satire auf unsere postpandemische, durchökonomisierte Welt dieses Buch hätte werden können.

Vielleicht wollte sich Schalko nicht damit begnügen. “Felix wollte ein Gesichtsloser sein. Einer, der sein eigenes Gesicht vergessen hatte.” So gesehen kann man sagen: Mission erfüllt.

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