Daisy Jones zeichnet eine aufgeweckte Mischung aus Trotz und Selbstbewusstsein aus. In den 1970ern war das in den allermeisten Fällen kein karrierefördernder Charakterzug. Außer im Popmusikbusiness. Da konnte man damit sogar berühmt werden. Zumindest suggeriert das die neue Amazon-Serie über die Entstehung und Auflösung einer fiktiven Band, “Daisy Jones & the Six”, die auf dem gleichnamigen Roman von Taylor Jenkins Reid basiert. Aber ganz abwegig ist das nicht, brachte doch gerade dieses Jahrzehnt so eigenständige und auf gewisse Weise auch mächtige Künstlerinnen wie Carole King oder Joni Mitchell hervor, an denen sich die Figur der Daisy Jones auch so ein bisschen orientiert. Und an Stevie Nicks von Fleetwood Mac. Aber diese Liste ließe sich ewig verlängern, die wirklich ausschlaggebende Inspiration für Taylor Jenkins Reid war das für die Popkultur außerordentlich fruchtbare Kalifornien der 1970er Jahre. Jene Zeit, in der sich Musiker von Neil Young über Alica Cooper bis zu Frank Zappa im Stadtteil Laurel Canyon niederließen, jene Zeit, in der Mama Cass (Elliott, von The Mamas and the Papas) legendäre Partys schmiss. Jene Zeit, in der Drogen auch so manche Karriere recht rasch wieder beendeten.
Fünf sind sechs
Riley Keough (Elvis Presleys Enkelin) spielt Daisy, die erst am Sunset Strip herumlungert, um einfach der Musik und denen, die sie machen, nahe zu sein. Sie findet auch schnell allerlei Anschluss, mitunter aber auch nur als Zwischendurch-Nummer im Hotelzimmer. Eine Sängerin, mit der sie sich angefreundet hat, fragt sie schließlich, warum sie im Publikum steht, wenn sie doch auf der Bühne stehen will. Das gestaltet sich nicht so einfach, erst wird ihr ein Song gestohlen, was sie mindestens so fuchtig macht wie der Vorschlag, sie könne ja die Muse des betreffenden Mannes werden. Und dann ist Daisy, es wurde schon erwähnt, eben auch ein bisschen bockig. Als der begehrte Produzent Terry Price ihr von sich aus anbietet, mit ihr zu arbeiten, und unglücklicherweise das Wort “schleifen” im Sinn von Edelstein zum Strahlen bringen, verwendet, hängt ihm Daisy gleich eine Goschn an. Sie hält sich ja für perfekt. Aber sein Hinweis, ihre Lieder wären eh nett, aber sie würden keine Geschichte erzählen – zum Vergleich, wie es anders geht, schaltet er in der Jukebox “Son of a Preacher Man” ein – bringen sie doch zum Grübeln.
Gleichzeitig wird parallel dazu die Geschichte der Band “The Six” erzählt. In Pittsburgh gegründet von den Brüdern Billy (Sam Claflin, charismatischer Frontman und Songwriting-Genie) und Graham Dunne, versuchen sie in Los Angeles ihr Glück. “The Six” sind übrigens nur fünf, ein Gag, der nicht immer zündet. Sie haben nicht das Glück, das Terry Price ihnen nachläuft, das Gegenteil ist der Fall. Aber “The Six” schaffen es, einen Plattenvertrag und eine Tour zu ergattern – und dann macht Billy mit einer ausgiebigen Drogensucht alles kaputt. Zweite Chancen sind in dem Geschäft rar. Aber dann bringt Terry The Six und Daisy Jones zusammen.
Der Roman erzählt die Geschichte in vielen zurückblickenden Wortmeldungen als Oral History, das nimmt die Serie nur am Rande auf. Die Atmosphäre dieser für die Popkultur so besonderen Zeit mitsamt Boho-Hippie-Chic wird hier sehr einnehmend eingefangen. Für die Serie wurden Songs eigens komponiert – ob sie nachhaltiges Hitpotenzial haben, sei dahingestellt. Die zärtliche Rohheit, die Rock damals auszeichnen konnte, können sie dennoch ganz gut vermitteln.