So reizvoll es klingt, wenn das vermeintlich “Beste aus zwei Welten” vereinigt wird: Man weiß aus der hiesigen Politik, dass auf solche Worte durchaus fragwürdige Ergebnisse folgen können. Eine Enttäuschung dieser Art erlebt man nun auch mit einem grenzgängerischen Album von Yuja Wang. Die Chinesin, die gemeinsam mit dem Russen Daniil Trifonov als das Nonplusultra unter den Klaviervirtuosen gelten darf, betreibt auf ihrer neuen CD eine Gratwanderung zwischen Jazz und Klassik. Allein: Ihr “American Project” wird Fans beider Genres kaum überzeugen.
Schön zwar, dass eine aparte Klavier-Nummer von Michael Tilson Thomas die Platte eröffnet. Fünf Minuten lang garantiert diese Petitesse mit dem launigen Titel “You Come Here Often?”, mit perlender Virtuosität und groovigen Bässen Frohsinn.
Die nachfolgenden 30 Minuten versuchen dies ebenfalls, scheitern aber krachend. Leider: Das Klavierkonzert von Teddy Abrams (Pianist, Klarinettist, Komponist und Chefdirigent des auf dieser CD aufspielenden Louisville Orchestra) besteht in erster Linie aus einem Brimborium glitzernder Noten. Hier röhren “jazzige” Blechbläser, tschuckert das Schlagzeug wie eine Dampflok der guten Laune und entstößt sich das Klavier ein Spektrum virtuoser Effekte, das von funkelnden Akkordkaskaden über brillante Notenrepetitionen bis hin zu Lichtgeschwindigkeitsläufen reicht. Diesem Rummelplatz der Rasanz fehlt allerdings einiges. Zuallererst: markante Melodien. Sie stellen sich auch dann nicht ein, wenn der furiose Firlefanz für Momenten ermattet und mit triefsüßer Filmmusik kokettiert.

Zudem: So augenscheinlich dieses “Piano Concerto” mit Gershwins “Rhapsody in Blue” (1924) liebäugelt – bei Abrams springen keine Funken zwischen den Musikwelten über. Es blubbert bloß ein dubioses Stilgebräu vor sich hin. Ist das Jazz? Das lässt sich nur von jenen Passagen behaupten, die einen altvaterischen Bigband-Swing zitieren (und ihn nicht gleich mit Girlanden überfrachten). Ist dies “Klassik”? So kann man diese tönende Dekormalerei schon gar nicht nennen.

So schön es ist, dass sich Wang immer wieder für Klassiker des 20. Jahrhunderts starkmacht, dass sie Kaliber wie die Klavierkonzerte Sergei Prokofjews im Repertoire hat: Man würde ihr wünschen, sich auch im zeitgenössischen Fach nach Komponisten mit Tiefgang umzusehen.
Als solcher darf Jörg Widmann gelten: Der 49-Jährige hat einen Stil entwickelt, der herbe Dissonanzen nicht scheut, aber zugleich tonale Melodiebögen nicht als Tabu betrachtet. Keine schlechte Idee, dass das London Symphony Orchestra ausgerechnet ihn damit beauftragt hat, neue Kadenzen für Beethovens Violinkonzert zu schreiben. In dieser teilmodernisierten Form ist das Werk nun unter der animierten Leitung von Simon Rattle mit der schlackenlosen Geigerin Veronika Eberle aufgenommen worden. Widmanns Kadenzen? Öffnen Fenster in die Gegenwart, ohne Beethoven auszuschließen. Widmann bleibt am Notenpapier seinem persönlichen Tonfall treu, nutzt aber Beethovens Motiv-Vokabular. Besonders betörend die Kadenz des Mittelsatzes – eine elegische Meditation über die Themen des Meisterwerks.
