Als ich Bodo Hell im April 1999 auf Schloss Gobelsburg kennenlernen durfte, war er in etwa so alt wie ich heute. Ich bewunderte damals schon, abgesehen von der Wortgewalt, mit der Bodo seinen Patenwein, einen Grünen Veltliner Gaisberg vom Weingut Hirsch aus Kammern, dem Publikum schmackhaft machte, seine unglaubliche Agilität. Er war auch abseits der Bühne ständig in Bewegung, schien kaum still zu sitzen. Umso mehr bin ich heute fasziniert von seiner nicht nachlassenden Umtriebigkeit, denn dieser Tausendsassa geht forschen Schrittes auf den Achtziger zu.
Der vorhin erwähnte “Gaisberg” war wie so vieles im Leben kein (phonetischer) Zufall, verbringt Bodo Hell doch jeden Sommer auf seinem ganz persönlichen “Geißberg”, dem Dachstein. Was er dort neben dem Schreiben so treibt, erfährt man aus dem wunderbaren Dokumentarfilm “Im Augenblick. Die Historie und das Offene” von Angela Summereder und Othmar Schmiderer. Die Kamera folgt einer Ziegenherde sowie dem Hirtenalltag von Bodo Hell – von Stein zu Stein springend, Ziegen melkend, Käse herstellend.
Kunstvernetzt
Das “Offene” – die Weltoffenheit gegenüber allem und jedem, diese unbändige Neugier, die den Autor ständig antreibt, das ist es vermutlich, was Bodo Hell so jung hält. Während sich andere Schriftsteller im sprichwörtlichen Elfenbeinturm verstecken, mitunter gar nicht mit anderen gemeinsam auftreten wollen, ist der in Wien, im Kamptal, am Dachstein und unterwegs lebende Autor ein Paradebeispiel für einen Vernetzer, der seine Fäden in nahezu alle Kunstsparten spinnt.
Sei es in die Literatur, wie beispielsweise die jahrzehntelange Zusammenarbeit und Freundschaft mit Friederike Mayröcker, in die Musik (Renald Deppe und Broadlahn), in die Bildende Kunst (Linde Waber und Linda Wolfsgruber) oder in die Filmbranche, wie einige Dokumentationen mit Othmar Schmiderer zeigen.
Bodo Hell ist kein Romanautor, dessen Werk man von der ersten bis zur letzten Seite in einem Zug verschlingen kann; Bodo Hell ist vielmehr ein Chronist, ein Sammler, ein Aufzeichner, ein Bewahrer von Belebtem und Unbelebtem, das ohne ihn vielleicht dem Vergessen anheimfallen würde. Bodos Texte sind ausnahmslos Liebeserklärungen, gelegentlich an Menschen, oft an Flora, Fauna, Dinge, Namen: Es gibt wohl nichts, das seiner literarischen Sammelleidenschaft entkommen kann.
Die Natur scheint eine der größten Inspirationsquellen des angehenden Jubilars zu sein, die Natur steht auch im Mittelpunkt seines neuen Bandes “Begabte Bäume”, der im Droschl Verlag anlässlich seines 80. Geburtstages veröffentlicht wird. Vom “Baum der Erkenntnis”, nach jüdischer Vorstellung ein Weinstock – wie passend für das Kamptal -, erfahren wir ebenso wie von bei Göttweig zu entdeckenden Mammutbäumen. Und Bodo verrät auch ein Rezept für einen Zirbenholz-Zapfenlikör.
Apropos Hochprozentiges: Eine liebe Gewohnheit des Autors ist es, seine Freunde nicht nur mit seinen wunderbaren Büchern zu beschenken, sondern sie auch mit selbst gebranntem Meisterwurz-Schnaps zu überraschen. Drei kleine Fläschchen zieren auch meinen Bücherschrank.
Legendär sind ebenso die Literaturwanderungen mit Bodo, die dank des von ihm vermittelten Zusatzwissens weit über einen “Spaziergang mit Lesestopps” hinausgehen. Der Autor mit geschnitztem Wanderstab, die Gruppe anführend – eine Rolle, die ihm ob seines zügigen Tempos ohnehin kaum einer streitig machen könnte.
Ich erinnere mich an eine gemeinsame Zugfahrt nach Wien, als wir mit überbordendem Eifer eine fiktive literarische Landkarte von Wohnsitzen Wiener Autorinnen gezeichnet haben. Eine wunderbare Reise im Kopf, wie man sie nur mit Bodo unternehmen kann. Ich freue mich schon sehr auf den 13. Mai, wenn wir gemeinsam in einem Kulturzug durch das Kamptal pendeln werden, der eine lesend, der andere moderierend.
Neugier & Energie

“immergrün” ist der Titel eines 2011 erschienenen Bandes, den Bodo Hell mit der bildenden Künstlerin Linda Wolfsgruber veröffentlicht hat. Immergrün ist auch ein Wort, das den angehenden Achtziger so wunderbar beschreibt – für immer jung und neugierig auf Zu-Entdeckendes!
Wenn ich mir die Kraft und Energie vor Augen halte, mit der Bodo auf seinen runden Geburtstag zusteuert, dann wünsche ich mir für mich selbst dereinst die Hälfte davon, damit wäre ich schon sehr glücklich. Bodo selbst wird dann schon über hundert Lenze zählen. Das ist im Kamptal nicht unmöglich und kommt gar nicht so selten vor.
Ad multos annos, lieber Bodo!