Schock am Lago Maggiore. Die älteste Cafébar-Besitzerin Italiens will den Kult-Laden, den fast alle Touristen kennen, nicht länger weiterführen.
Die „Bar Centrale“ in Nebbiuno, oberhalb des Lago Maggiore, ist mehr als nur ein Café. Sie ist ein Stück italienischer Geschichte – betrieben von Anna Possi, der ältesten Cafébar-Besitzerin Italiens. Doch die Zukunft des Traditionsladens ist ungewiss.
Seit 1958 öffnet Nonna Anna, wie sie hier liebevoll genannt wird, jeden Morgen um sieben Uhr ihre Bar. Im Winter schließt sie um sieben Uhr abends, im Sommer erst um neun. Das ganze Jahr über, ohne Pause. „Das ist mein Leben“, schwärmt die 100-Jährige. Selbst an Sonn- und Feiertagen steht sie an der Kaffeemaschine. „Die Leute wollen Weihnachten ja auch ihren Kaffee trinken.“
Es fehlt der Nachwuchs
Doch der Stolz, Italiens älteste Barista zu sein, birgt auch ein Problem: In vielen italienischen Cafébars, die oft in Familienbesitz sind, fehlt der Nachwuchs. Laut dem nationalen Hotel- und Gaststättenverband Fipe gibt es heute noch 132.000 Cafébars in Italien – vor zehn Jahren waren es 20.000 mehr.
„Heute gucken alle nur noch ins Handy“
Die Gründe für den Rückgang sind vielfältig: lange Arbeitstage, niedrige Löhne, hohe Mieten und gestiegene Kaffeepreise. „Für junge Menschen ist der Beruf des Barista wenig ansprechend“, so der Verband. Nonna Anna sieht das ähnlich: „Heute gucken alle nur noch ins Handy.“
Dabei sind Cafébars aus dem italienischen Alltag kaum wegzudenken. Ob morgens ein Caffè, mittags ein Espresso oder abends der Aperitivo – die Bar ist ein Treffpunkt für Gespräche über Fußball, Politik und das Leben. Auch in Nebbiano ist die „Bar Centrale“ ein sozialer Mittelpunkt.
„Warum sollte ich aufhören?“
Offiziell ging Anna Possi 1984 mit 60 Jahren in Rente. Doch sie kehrte zurück. „Warum sollte ich aufhören? Meine Bar ist für mich so viel mehr als Arbeit.“ Ihren letzten Urlaub machte sie in den 1950er Jahren – acht Tage in Paris. Seitdem ist sie fast jeden Tag in ihrer Bar.
Manchmal hilft ihre Tochter Cristina, die im Rathaus gegenüber arbeitet. Doch die meiste Arbeit bewältigt die 100-Jährige allein – sogar das Holz für den kleinen Ofen hackt sie selbst.
Die Zukunft ist ungewiss
Doch die Frage bleibt: Wer übernimmt die Bar, wenn Nonna Anna nicht mehr kann? Ihr Sohn lebt in Mailand, die Enkelinnen sind ausgezogen. Die „Bar Centrale“ steht symbolisch für ein größeres Problem in Italien: das Aussterben der traditionellen Familienbetriebe.
Für Anna Possi ist klar: Solange sie kann, wird sie weitermachen. „Meine Bar ist mein Leben.“ Doch ob das Kult-Café überleben wird, bleibt ungewiss.