Die drei Ampel-Parteien ÖVP, SPÖ und Neos sprechen im oe24.TV-Interview über die Wirtschaft in Österreich, Asyl, EU, Geld & Hoffnung.
Nach 155 Tagen hat Österreich doch noch eine Regierung bekommen – im großen oe24.TV-Interview geben die Ampel-Chefs einen Einblick in ihr ambitioniertes Regierungsprogramm.
oe24: Es waren längere Regierungsverhandlungen. 155 Tage hat alles zusammen gedauert. Ab wann haben Sie, Herr Stocker, eigentlich damit gerechnet, dass das jetzt was wird und Sie Bundeskanzler werden?
Christian Stocker: Also offen gestanden sind es ja drei Regierungsverhandlungen, die die Volkspartei nach dieser Nationalratswahl geführt hat. Für mich war dann schon klar, dass nachdem wir (Anm: Die Ampelverhandler) ein zweites Mal am Verhandlungstisch gesessen sind, es jetzt darum geht, für dieses Land eine Regierung zu bilden, die handlungsfähig ist.
oe24: Frau Meinl-Reisinger, was hat sich denn jetzt wirklich geändert? Oder war das nur der quasi Schock, dass man Angst hatte, dass Kickl Kanzler werden könnte?
Beate Meinl-Reisinger: In dieser Frage ist es dann später doch möglich gewesen, dass man gesagt hat, okay, schauen wir, dass wir nicht nur den kleinsten gemeinsamen Nenner finden, sondern sogar Dinge in einem Konsens außer Streit stellen können. Im Bildungsbereich, bei Asyl, im Integrationsbereich.
oe24: Herr Babler, ärgert Sie noch, dass die Neos Sie als cholerisch und destruktiv in der Verhandlung beschrieben haben?
Andreas Babler: Ich bin jemand, der Dinge zwar zur Kenntnis nimmt, aber sich nicht beeindrucken lässt. Man muss das hinter sich lassen. Die Menschen haben es verdient, nach so einer langen Zeit eine stabile Regierung zu haben.
oe24: Österreich befindet sich in einer sehr angespannten budgetären Situation. Braucht es jetzt eine Regierung, in der sieben Staatssekretäre sind?
Stocker: Die Größe der Regierung ist ja nicht die Frage, sondern ob diese Regierung funktioniert.
oe24: Fehlt diesem Regierungsprogramm der Mut?
Meinl-Reisinger: Nein, wir sagen klar: Wir sind als Wirtschaftsstandort in Österreich stärker in einem vereinten Europa, als mit hochgezogenen Zugbrücken, wo wir wie am alten Marktplatz Käse und Milch tauschen.
Babler: Millionen profitieren von der Mietpreisbremse, erstmals kommt eine unabhängige Bundesstaatsanwaltschaft.
oe24: Vieles im Programm ist unter Budgetvorbehalt…
Stocker: Natürlich kann man auch immer einfach nur Geld in die Hand nehmen und sagen, man fördert. Das Geld muss aber erarbeitet werden. Wir wollen Leistungsbereite fördern – weniger Steuern auf Überstunden oder Arbeiten in der Pension. Wir müssen uns den Aufschwung erarbeiten.
Familiennachzug-Stopp, Kopftuchverbot unter 14
oe24: Thema Asyl, Sie sagten, der Familiennachzug wird per sofort gestoppt. Was heißt per sofort, ab nächster Woche?
Stocker: Ab sofort heißt, dass der Innenminister dabei ist, die Voraussetzungen, die rechtlich erforderlich sind, zu schaffen. Und dann werden wir das umsetzen. Uns geht es darum, ein Zeichen zu setzen im Wissen, dass es nicht unumstritten ist. Auch im Wissen, dass es für die Menschen notwendig ist, nicht nur zu reden, sondern zu handeln.
oe24: Beim Kopftuch-Verbot hat Schwarz-Blau einen Versuch unternommen, der gekippt wurde – und diesmal?
Meinl-Reisinger: Es geht hier nicht um die religiöse Symbolik, sondern es geht um den Schutz der minderjährigen Mädchen und ihre Selbstbestimmung. Wir sind überzeugt davon, dass das ein Weg ist, der verfassungskonform ist, weil wir in Österreich nicht wollen, dass unmündige Mädchen zu irgendetwas gezwungen werden.
oe24: Keine Asylanträge mehr annehmen – das klingt fast nach Festung…
Babler: In der SPÖ sind wir für Menschlichkeit und Ordnung. Wir wollten die irreguläre Migration immer auf 0 setzen.
oe24: In der EU wird viel Geld in die Armee investiert: Kommt die EU-Armee?Da müssten Sie die beiden Herren erst überzeugen…
Meinl-Reisinger: Wir müssen uns um unsere Sicherheit kümmern, bekennen uns im Regierungsprogramm zur Autonomie Europas.
oe24: Wie ist die Linie zur österreichischen Neutralität?Stocker: Wir haben ein Grundbekenntnis zur österreichischen Neutralität. Ich befürchte, dass die US-Regierung uns noch öfters beschäftigen wird, dass das sozusagen nicht ein Einzelfall bleiben wird, diese Eskalationen, die wir gesehen haben. Ich treffe mich auch in den nächsten Tagen mit einigen Regierungschefs und einigen Amtsträgerinnen in Europa dazu.