Im oe24-Interview mit Politik-Chefredakteurin Isabelle Daniel erklärte Neo-Finanzminister Gunter Mayr, wo gespart werden kann, wieso er noch keine konkreten Zahlen beim Budget-Defizit nennen will und ob er auch einer künftigen Regierung angehören möchte. 

oe24: Herr Finanzminister, wie groß ist denn das Budget-Defizit jetzt wirklich? Es scheint jede Woche eine andere Zahl zu geben.

Gunter Mayr: Das ist mitunter auch meine Funktion, hier etwas Klarheit hineinbringen zu dürfen. Man muss sich aber schon die Ausgangsgrundlage ansehen. Wir haben Krisenjahre hinter uns, also Corona-Pandemie, Angriffskrieg von Russland, Teuerungswelle. Trotz Krisen sind aber auch tolle Sachen gelungen. Gerade im steuerlichen Bereich, die Abschaffung der kalten Progression. Das ist ein Meilenstein im österreichischen Steuerrecht. Aber jetzt zum Budget kommend. Als Grundlage für unsere Schätzungen dienen die WIFO-Prognosen und die haben sich massiv geändert. Nächster Schritt für uns, und das ist ein maßgeblicher Schritt, war, dass die Europäische Kommission Mitte November die Defizite für Österreich für heuer mit 3,6 Prozent und nächstes Jahr mit 3,7 Prozent eingeschätzt hat. 

oe24: Aber wie groß ist das Budget-Defizit?

Mayr: Österreich ist in einer doppelten Sondersituation. Einerseits haben wir die Nationalratswahl gehabt und daher – wie üblich – dieses Jahr kein neues Budget erstellt und andererseits gibt es seit April neue EU-Fiskalregeln. Und das sind für uns die entscheidenden Parameter, weil nach den EU-Fiskalregeln müssen wir Referenzpfade einhalten. Nämlich dann, wenn ein EU-Mitgliedstaat über 60 Prozent Schuldenquote hat oder ein Defizit über 3 Prozent, dann bekommt man von der EU auf vier oder auf sieben Jahre einen Zielpfad. Da muss man dann am Schluss nach vier oder sieben Jahren ein Defizit von unter einem Prozent haben. 

oe24: Aber wie hoch ist das Defizit-Volumen in Milliarden Euro?

Mayr: Wenn man ein Gesamt-Bruttoinlandsprodukt von circa 500 Milliarden hat, dann kann man sich das ausrechnen. Ich möchte jetzt bewusst keine konkrete Zahl nennen, weil schon viel zu viele Zahlen im Raum stehen. Ich komme aus der Wissenschaft und beziehe mich gerne auf Fakten – sobald wir die Zahlen der Europäischen Kommission bekommen, haben wir ein belastbares Zahlenwerk. Alles andere sind Schätzungen. 

oe24: Warum ist es für die Koalitionsverhandler so schwierig gewesen, einen Kassasturz zu machen?

Mayr: Weil die Europäische Kommission auch im nächsten Jahr damit rechnet, dass wir über drei Prozent sind, ist es entscheidend, dass wir unter die drei Prozent kommen, um ein EU-Defizitverfahren abwenden zu können. Deswegen bin ich gleich am zweiten Tag nach meiner Angelobung in Brüssel gewesen. Wir haben noch einmal die Situation in Österreich dargelegt. Die EU-Kommission akzeptiert es, wenn man in einem Jahr aufgrund unvorhersehbarer Ereiginisse über den drei Prozent ist, aber man muss im nächsten Jahr wieder darunter sein. Die EU-Kommission hat uns aufgrund der Wahl einen Aufschub bis Mitte Jänner eingeräumt. Bis dorthin müssen wir der Kommission eine Maßnahmenliste übermitteln. 

oe24: Wie kann man glaubhaft machen, dass das Defizit dann unter drei Prozent sein wird? Wird das nur ausgabenseitig gehen oder braucht man da auch einnahmenseitige Maßnahmen?

Mayr: Der Herr Bundeskanzler (Karl Nehammer, Anm.) hat die Ausgabenbremse angesprochen. Wenn wir uns die Ausgabenstruktur anschauen, wie hoch zum Beispiel die Förderquote ist und man sich einen europäischen Schnitt hernimmt, dann sind wir um drei Milliarden Euro über dem europäischen Schnitt. Wir haben eine Förderquote – das sind direkte und indirekte Förderungen- von 6,7 Prozent, das sind über 30 Milliarden. Im Ausgabenbereich ist jedenfalls Potenzial vorhanden. 

oe24: Was wäre das zum Beispiel?

Mayr: Der Klimabonus ist die Maßnahme, die hier erwähnt wird. Diese hätte auch ein hohes Volumen.

oe24: Wie viel wäre das?

Mayr: Zwei Milliarden. Und der Klimabonus hat im heurigen Jahr ohnehin an Komplexität gewonnen, weil er ab einem bestimmten Einkommen steuerpflichtig ist. 

oe24: Sie haben vorhin die Abschaffung der kalten Progression angesprochen. Da sagen Kritiker, das sei ohne Gegenfinanzierung beschlossen worden. 

Mayr: Ja, allerdings ist es bei der Abschaffung der kalten Progression nicht um Gegenfinanzierung gegangen, sondern darum, den Steuerpflichtigen die jährliche Inflation automatisch im Steuertarif wieder rückzuvergüten. Ich halte das Argument einer Gegenfinanzierung bei einer Inflationsbereinigung im Steuertarif nicht für ein tragendes Argument. 

oe24: Sie wissen, es wird heftig darum gerungen – was immer das jetzt heißen soll – die Last soll auf breitere Schultern gehen und dass die SPÖ Vermögens- und Erbschaftssteuern für Millionäre will, ist kein Geheimnis. Warum ist das so umstritten?

Mayr: Aus fachlicher Sicht sind Vermögenssteuern oder Erbschafts- und Schenkungssteuern sogenannte Substanzsteuern. Das heißt, da gibt es eine Substanz und von der müsste man dann Steuern zahlen. Das ist was anderes als eine Ertragssteuer, zum Beispiel die Kapitalertragssteuer. Wenn ich Aktiengewinne habe, dann muss man erst in der Gewinnsituation einen Teil vom Gewinn abführen. Substanzsteuern sind Steuern, die auf die Substanz gehen. Die haben fachlich schon das Problem, dass man von der Substanz keinen Ertrag runterschneiden kann, sondern aus der Substanz müsste das Ganze heraus bedient werden. Zudem führen Substanzsteuern zu einem extremen administrativen Aufwand. Und da geht es nicht nur um Immobilien, da geht es möglicherweise auch um Bilder, Kunstwerke und so weiter. 

oe24: Aber sollten breitere Schultern mehr tragen?

Mayr: In Österreich gibt es zwei große Steuern, das sind die Einkommenssteuer samt Lohnsteuer und die Umsatzsteuer. Beide bringen ungefähr 40 Milliarden Euro. Und die höchsten 10 Prozent der Einkommensbezieher leisten fast 60 Prozent des Aufkommens der Einkommens- und Lohnsteuer. Also breite Schultern tragen in der Einkommens- und Lohnsteuer bisher schon sehr viel. 

oe24: Und Supermillionäre, die nur von Kapitalertrag leben?

Mayr: Kapitalertrag unterliegt der Kapitalertragssteuer von 27,5 Prozent.  

oe24: Aber zurück zur Frage: Glauben Sie es geht rein ausgabenseitig, das Budget zu sanieren? Man braucht ja auch teilweise Investitionen in gewissen Bereichen. 

Mayr: Genau, das ist natürlich wichtig, dass man auch eine Perspektive für wichtige Akzente setzen kann. Ich glaube nur generell, dass Österreich nicht ein Einnahmen- sondern Ausgabenproblem hat. Es gibt eine sehr hohe Abgabenquote in Österreich und vor diesem Hintergrund sollte man sich jeden Budgetposten im Detail ansehen und schauen, wieviel man einsparen kann.

oe24: Würden Sie eigentlich, wenn sagen wir Bundeskanzler Karl Nehammer zu Ihnen käme und sagen würde, bleiben Sie weiter Finanzminister, würden Sie das machen?

Mayr: Ich habe jetzt als Beamter die sehr große und auch für die Beamtenschaft wertschätzende Funktion des Finanzministers übernehmen dürfen. Es sind sehr herausfordernde Zeiten. Aber ich freue mich auch wieder sehr, wenn ich Steuersektionschef bin. 

oe24: Vielen Dank für das Gespräch.

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