Das Bundesministeriengesetz bringt laut Juristen keine Klärung bei innerkoalitionären Meinungsverschiedenheiten. Ein Regierungsstreit wie damals beim Gewessler-Ja zur Renaturierung steht bevor.

Mit ihrer Zustimmung für das EU-Renaturierungsgesetz gegen den Willen des Koalitionspartners ÖVP hat die damalige Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) im Juni 2024 eine Regierungskrise ausgelöst. Die neue Bundesregierung kündigte im Regierungsprogramm eine Neuerung an, mit der so ein Fall künftig verhindert werden soll. Die am 1. April in Kraft tretende Novelle des Bundesministeriengesetzes verhindere einen derartigen Fall aber nicht, sagen Rechtsexperten.

Im Regierungsprogramm wurde festgeschrieben, dass dessen Inhalte gemeinsam zu vertreten seien – sowohl in der Bundesregierung, im Parlament „und als österreichische Positionierung in den Organen der Europäischen Union“. „Wichtige Entscheidungen der Koalitionspartner werden gemeinsam getroffen und gemeinsam in der Öffentlichkeit vertreten“, heißt es im ÖVP-SPÖ-NEOS-Programm. „Die im Rat der Europäischen Union und im Europäischen Rat vertretenen wichtigen Positionen werden rechtzeitig unter den Koalitionspartnern im Vorhinein abgestimmt.“

Die Salzburger ÖVP-Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler sagte laut Parlamentskorrespondenz im Bundesrat, im Bundesministeriengesetz sei festgeschrieben, dass jede Abstimmung einer Ministerin oder eines Ministers auf EU-Ebene die vorherige Zustimmung der Bundesregierung brauche. Damit könnten Probleme, die in der vergangenen Legislaturperiode aufgetreten seien, künftig vermieden werden.

„Fall Gewessler“ wird laut Juristen nicht verhindert

Laut den Verfassungs- und Europarechtsexperten Walter Obwexer und Franz Leidenmühler könne die jüngst verabschiedete Novelle des Bundesministeriengesetzes (BMG) einen neuen „Fall Gewessler“ aber nicht verhindern. Laut Obwexer wurden mit dem neuen BMG eine Reihe Verbesserungen im Bezug auf die EU-Agenden vorgenommen, der relevante Paragraf fünf des BMG, der im Fall des EU-Renaturierungsgesetzes für Unklarheit gesorgt habe, sei aber unverändert geblieben.

Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen zwei Ministerien, wer zum Beispiel bei einem bestimmten EU-Gesetz zuständig ist, „kann“ die Angelegenheit der Bundesregierung zur Beratung vorgelegt werden. Der Verfassungsexperte der Universität Innsbruck hätte hier empfohlen, den Paragrafen so zu ändern, dass die Angelegenheit der Bundesregierung vorgelegt werden muss. „Wäre das Gesetz so formuliert gewesen, dann hätte Leonore Gewessler das der Bundesregierung vorlegen müssen, bevor sie im Rat abstimmt“, so Obwexer.

Der Jurist spricht sich grundsätzlich dafür aus, das BMG, das in seiner ursprünglichen Form aus dem Jahr 1986 stammt, grundlegend neu aufzusetzen. Das sei aber kein Vorwurf an die Regierung, da diese das BMG unter Zeitdruck novellieren musste, um ihre Arbeit aufnehmen zu können. In dem Gesetz werden unter anderem die Zuständigkeiten der Ministerien festgelegt.

Regierungsplan ohne Auswirkung auf EU-Ebene

Der Europarechtler der Johannes-Kepler-Universität Linz (JKU), Franz Leidenmühler, weist aber darauf hin, dass das BMG nur die Regeln innerhalb der österreichischen Regierung festlegen könne. Auch bei einer strengeren Regelung gelte weiterhin, dass die Stimme einer Ministerin oder eines Ministers im Rat der Europäischen Union gilt. Auch wenn dies nicht der Position der Bundesregierung entspricht, werde das entsprechende EU-Gesetz dadurch nicht ungültig. Eine Ministerklage hätte aber dann eine bessere Aussicht auf Erfolg.

Leidenmühler warnt aber davor, den Ministerinnen und Ministern bei Abstimmungen im Rat (der EU) ein zu enges Korsett anzulegen, da hierdurch Verhandlungsspielräume eingeschränkt würden.

Regierung will Details in Koordinationsausschuss-GO klären

Im Büro der künftigen Europaministerin Claudia Plakolm (ÖVP) verweist man gegenüber der APA auf die noch ausstehende Geschäftsordnung (GO) des Koordinationsausschuss der Regierung. Darin solle auch die innerkoalitionäre Abstimmung in EU-Fragen genauer festgelegt werden.

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