Der ehemalige EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hält weder die EU noch die Beitrittsländer für eine EU-Erweiterung bereit. “Die Balkanstaaten sind zurzeit nicht beitrittsfähig. Die EU ist auch nicht aufnahmefähig. Weil ich mir nicht vorstellen kann, wie eine EU mit 34, 35 Staaten noch halbwegs vernünftig funktionieren könnte”, sagte Juncker in einem von Ex-Außenministerin Ursula Plassnik geführten Interview für “European Voices” und “Presse am Sonntag”.

Juncker sagte, er sei “sehr dagegen, dass man eine Erweiterung im Galopp macht”. Es gebe “zu viele ernste Probleme, zu viele ungelöste Konflikte, die wir nicht in die EU importieren sollten, nicht zuletzt ein massives Korruptionsproblem in vielen Beitrittswerberländern. Einige zögern sogar, ob sie sich nun zur EU bekennen sollen oder ob sie sich weiterhin an ihren traditionellen russischen Partner anlehnen”, sagte Juncker laut dem im Voraus veröffentlichten Interview. “Es gibt ungelöste Minderheitenprobleme, auch unter denjenigen, die 2004 beigetreten sind – denken wir etwa an den nicht überaus korrekten Umgang mit den russischen Minderheiten.” Die EU brauche Einsicht in die Notwendigkeit interner Reformen.

Auch die Ukraine sei “heute nicht beitrittsfähig. Das Land hat größere Probleme im Bereich der korrekten Rechtsanwendung, leidet nach wie vor unter Korruption, es gibt Minderheitenprobleme. In dem Zustand ist man nicht beitrittsfähig”, betonte Juncker. Die Ukraine brauche selbstverständlich eine klar formulierte Beitrittsperspektive. “Aber den Ukrainern den Eindruck zu vermitteln, sie könnten relativ schnell, also ohne den ganzen Beitrittsprozess zu durchlaufen, EU-Mitglied werden, das hielte ich für unklug. Das würde Hoffnungen erwecken, welche die EU einfach nicht erfüllen kann.” Die Ukraine werde eines Tages EU-Mitglied werden, glaubt Juncker. “Aber der Weg dahin ist lang und äußerst schwierig, vor allem in der Landwirtschaft.” Wenn die Ukraine Mitglied würde, müssten auch die “Österreicher tiefer in die Tasche greifen”.

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