Ader-Legende Toni Innauer (66) sprach beim ServusTV-Besuch über den Manipulations-Skandal um die norwegischen Skispringer. Dabei äußerte der Olympiasieger von 1980 einen schlimmen Verdacht. oe24 hakte nach.

oe24: Herr Innauer, der deutsche Ex-Skispringer Sven Hannawald meint, dass er sich so einen Skandal in seinen schlimmsten Albträumen nicht vorgestellt hat. Wie konnte es so weit kommen?
TONI INNAUER: Ich glaube, am Anfang wollten die Zuständigen bei der WM in Trondheim nicht so genau hinschauen. Aber mit dem Video, das da aufgetaucht ist, gab es nichts mehr schönzureden. Damit war die Sch… perfekt. Das ist, wie ich schon gesagt jetzt ein Totalschaden. Wenn einem Spielregeln was wert sind, muss man da drüberfahren. 

oe24: Sie meinten, dass wenn man eins und eins zusammenzählt klar ist, dass mit der Schwindelei schon früher begonnen wurde …
INNAUER: Das leuchtet jedem ein, aber du wirst nicht beweisen können, ob die Naht im Anzug (die einen aerodynamischen Vorteil bringt, d. Red.) schon beim ersten Springen auf der Normalschanze (mit dem norwegischen Sieger Lindvik, d. Red.) eingefügt worden ist. Du musst das Zeug aufschneiden, damit du merkst, ob das verbotene Teil drinnen ist, sonst fehlt dir der Beweis.

oe24: Aber wie ÖSV-Sportdirektor Mario Stecher meint, ist es nicht davon auszugehen, dass die Norweger erst nach den tollen Ergebnissen nur für das letzte Springen auf der Großschanze die Anzüge umgeschneidert haben …
INNAUER: Ja, aber es ist wie bei jedem anderen Delikt. Juristisch kannst du nur dort vorgehen, wo du tatsächlich Beweise hast. Aber vielleicht kommt noch mehr. Wenn die Chips manipuliert wurden, schaut’s schlecht aus für die Norweger, was ich ihnen nicht wünsche.

oe24: Sie haben Mitleid mit den Schummlern?
INNAUER: Nein, aber mir geht’s um den Sport, der kaputt gemacht wird. Sponsoren steigen aus, nach einer tollen WM reden wir über nichts anderes … Der Skisprung braucht die Norweger.

oe24: Ließe sich das Problem mit den Anzügen mit elastischen, anliegenden Einheitsanzügen in den Griff bekommen?
INNAUER: Das hatten wir schon. Mit engen Anzügen wird die Anlaufgeschwindigkeit zu hoch. Wenn wir weiter unten wegfahren, sind die Sprünge nicht spektakulär genug. Außerdem wird der Druck bei der Landung größer. Es geht darum, das Risiko abzuwägen. Mit den aktuellen Anzügen hat man einen guten Kompromiss gefunden. Das hat man zumindest gedacht.

oe24: Wieso diskutiert man überhaupt darüber, die Norweger beim nächsten Springen am Donnerstag in Oslo wieder starten zu lassen?
INNAUER: So weit ich informiert bin, würde das dem aktuellen Reglement entsprechen. Bisher wurden Materialvergehen nicht so geahndet wie zum Beispiel Dopingvergehen, wo du gleich für die ganze Saison und länger gesperrt wirst. Bei einem Materialvergehen gab’s bis jetzt nur eine Disqualifikation für den jeweiligen Wettkampf. Das sollte man tatsächlich überdenken, um unseren Sport zu schützen.

oe24: Sollte Österreich nachträglich WM-Medaillen zugesprochen bekommen: Können wir uns darüber noch freuen?
INNAUER: Andreas Wellinger (hinter Lindvik Silbermedaillengewinner auf der Normalschanze, d. Red.) hat das sehr gut formuliert: Natürlich ist ihm als Athlet Gold lieber als Silber. Aber die aktuelle Emotion ist ihm gestohlen worden. Abgesehen davon müssen sich die Österreicher den kleinen Vorwurf gefallen lassen, dass sie sich zu wenig auf das Normalschanzenspringen vorbereitet haben.

oe24: Mit welchem Gefühl werden Sie jetzt die Raw Air Tour verfolgen?
INNAUER: Mit einem eigenartigen. Ich bin natürlich neugierig, wie es mit den Norwegern weitergeht und auch, wie sich das alles bei den Frauen auswirkt. Bei den Springerinnen wundere ich mich immer wieder, wie die Anzüge bei den Messungen durchgehen. Ich erinnere nur an die Olympischen Spiele in Peking 2022, als das Ganze explodiert ist und es gleich mehrere Disqualifikationen gegeben hat. Ohne Behauptungen aufzustellen: In Zukunft wird man sich gewisse Dinge nicht mehr trauen.

Die Raw Air Tour startet am Donnerstag (13.3.) in Oslo auf der Großschanze, am 15./16. März folgen Skifliegen in Vikersund.

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