Das Postfach sauber halten und informiert bleiben. Oder komplett abschalten? Arbeitspsychologin Christina Beran verrät, wie viel Digital Detox die Psyche für richtige Entspannung wirklich braucht.   

Die Frage, die sich alle Jahre vor einem langen Urlaub stellt: Soll ich erreichbar sein? Wenn es nach der Arbeiterkammer geht, lautet die klare Antwort: NEIN. „Während des Urlaubs ist das Abschalten des Diensthandys nicht nur erlaubt, sondern oft eine Grundvoraussetzung, um den Erholungswert, den auch der Gesetzgeber fordert, zu erreichen“, so AK-Arbeitsrechtler Maximilian Turrin.

Immer erreichbar?

So viel zur rechtlichen Basis. Das dauernde oder zumindest regelmäßige Checken des Postfachs gehört seit einigen Jahren trotzdem für viele Menschen zur Urlaubsrealität. Es gibt zwei Hauptmotive, warum die Arbeit oft und auch gerne mit an den Strand genommen wird. „Zum einen“, so Gesundheits- und Arbeitspsychologin Mag. Christina Beran, „wird beim Abrufen der Mails nach Neuigkeiten gesucht. Man will informiert bleiben. Zum anderen gibt es das Sicherheitsmotiv. Man gibt dabei dem Drang nach To-dos abzuarbeiten, um nicht nach dem Urlaub durch 500 Mails gehen zu müssen.“

Das Checken und Löschen mag im Moment für Zufriedenheit und Sicherheit sorgen, es hemmt allerdings einen nachhaltigen Erholungseffekt beziehungsweise lässt es uns erst gar nicht in die lang ersehnte Tiefenentspannung eintauchen. „Denn das Lesen von Arbeitsnachrichten hält uns ständig beschäftigt und damit in einem Aktivitätsmodus. Wir bleiben in dem Hamsterrad gefangen“, so Beran.

E-Mail-Obsession: Gegenmittel 

Der Worst-Case ist also ständig am Handy zu hängen. Das Best-Case-Szenario wäre eine Lösung, die vom Arbeitgeber kommt: „Im Idealfall“, so die Expertin, „gibt es eine gute Stellvertreterregelung. Dabei ist klar festgelegt, wer die anfallende Arbeit in der Abwesenheit eines Mitarbeiters übernimmt. Diese Regelung hilft, von der Arbeit wegzukommen. Man hat das gute Gefühl, nichts zu versäumen oder liegen zu lassen. Diese Herangehensweise wäre die interessanteste, sie wird jedoch am wenigsten gelebt.“

Zumeist muss man für sich eine individuelle Lösung finden. Hierbei gibt es zwei empfehlenswerte Ansätze: „Strategie 1“, so Beran, „ist, dass ich mir gar keine Nachrichten im Urlaub ansehe und das auch konsequent durchziehe. Essenziell dafür ist, dass ich mir vor dem Urlaub einen Plan für die Rückkehr mache. So kann ich entspannter Mails ignorieren. Man kann Nachrichten filtern – z.B. CC-Nachrichten hinten anstellen. Diese haben meist nur informativen Charakter. Man kann auch den ersten Arbeitstag für das Abarbeiten einplanen.“

Die 2. Strategie: Mails im Urlaub lesen. „Entscheidet man sich für diese Variante“, so Beran, „sollte man unbedingt fixe Zeiten festlegen, an denen man die Mails liest. Sonst verbleibt man dauerhaft im Arbeitsmodus. Und da wollen wir ja raus.“ Wie lange es dauert, um dem Aktivitätsmodus zu entkommen? „Je weniger Zeit Sie am Handy verbringen, desto besser“, so Beran. „Ein paar Stunden Flugmodus einschalten und mal nichts tun sind ein guter Anfang. Setzen Sie zudem auf Aktivitäten, die sich stark von Alltagsaktivitäten unterscheiden. Das hat einen sehr hohen Erholungseffekt.“

Völlig abschalten – so klappt‘s:

Der Griff zum Smartphone ist derart automatisiert, dass eine Abstinenz rasch Entzugscharakter haben kann. Wir sind es mittlerweile gewohnt, mit der Arbeit und der Welt immer verbunden zu sein. Wird diese Verbindung gelöst, kommt es zu einem Gefühl von Verlust. Das wiederum löst innerlichen Widerstand aus. Kontraproduktiv! Wer einen Urlaub lang dem Smartphone entsagen möchte, sollte sein Nutzungsverhalten Schritt für Schritt herunterregulieren.

„Lassen Sie die Handyzeiten langsam ausschleichen“, so Beran. „Sie sollten dabei jedoch nicht das Gefühl haben, etwas zu verpassen. Ist das richtige Maß gefunden, besteht die Chance, sich und die vielen schönen kleinen Dinge des Lebens neu zu entdecken. Das Schönste: Beziehungen und die Zeit mit Familie, dem Partner oder den Freunden bekommen eine neue Qualität.“ Fazit: Abschalten verbindet.

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