Judith Pühringer, Spitzenkandidatin der Grünen bei der Wien-Wahl, spricht sich für höhere Parkgebühren für SUV nach Pariser Vorbild aus.
Das könne sie sich „gut vorstellen“, denn große und schwere Autos „nehmen einfach unverhältnismäßig viel Platz weg, der allen Menschen gehört“, sagt sie im APA-Interview. Außerdem plädiert die Listenerste für eine Entkoppelung des kommunalen Wahlrechts von der Staatsbürgerschaft.
Paris hatte im vergangenen Oktober eine Verteuerung der Parktarife für SUV eingeführt. Das Abstellen eines schweren Pkw kostet dort nun dreimal so viel. Einen konkreten Preis- bzw. Staffelungsvorschlag für Wien hat Pühringer aktuell „nicht parat“, wie sie meint. Aber es sei jedenfalls „naheliegend, da zu reagieren“. Laut jüngster Auswertung des VCÖ (Verkehrsclub Österreich) wurden auch im Vorjahr in Wien die meisten SUV neu zugelassen.
Überhaupt müsse man nicht zuletzt beim Verkehr Maßnahmen setzen, um die von der Stadt selbst gesetzten Klimaziele zu erreichen, bekräftigt die grüne Co-Parteichefin Forderungen nach einer fußgänger- und fahrradfreundlicheren Umgestaltung der Zweierlinie im Zuge des U-Bahn-Baus, Autospurreduktionen am Gürtel oder einem Öffi-Ausbaupaket mit u.a. 17 neuen Straßenbahnlinien. Ist die Citymaut noch ein Wunsch der Grünen? „Step by step“, zeigt sich Pühringer zurückhaltend und räumt der bereits geplanten Verkehrsberuhigung der Innenstadt eine höhere Priorität ein.
100.000 Bäume als Teil der sozialen Frage
Klimaschutz nennt Pühringer als einen der wichtigsten Punkte für Wien und untermauert die Forderung nach 100.000 neuen Bäumen bis 2030 – laut ihrer Rechnung eine Vervierfachung der Pflanzungen, die die Stadt derzeit vornehme. Angesichts von 45 Tropennächten im Vorjahr den öffentlichen Raum im Sommer abzukühlen, stehe immer auch im Zusammenhang mit der sozialen Frage: „Armutsbetroffene wohnen oft in schlechter isolierten Häusern, die sich noch mehr aufheizen.“ Nicht jeder habe eine Wohnung mit Balkon oder könne aufs Land flüchten. Den Lobautunnel, für den sich die SPÖ weiter stark macht, nennt Pühringer „ein totes Pferd“. Im Wahlkampf merke sie, dass bei diesem „Monster-Projekt“ auch viele Wählerinnen und Wähler der SPÖ „nicht mehr mitkönnen“. Jene „6 Mrd. Euro, die unter einem Naturschutzgebiet mitten in Wien vergraben und verbuddelt werden sollen“, könnte man stattdessen in Zukunftsthemen investieren, erinnert sie nicht zuletzt an den Sparbedarf im Bund.
Hohes Wien-Defizit durch schlechte Verhandlungen mit Bund
Angesichts des prognostizierten Defizits von 3,8 Mrd. Euro für das heurige Jahr muss auch Wien auf die Finanzen schauen. Nach grünen Sparvorschlägen gefragt, führt die Spitzenkandidatin ins Treffen, dass die großen Budgetposten der Stadt mit Daseinsvorsorge – also Bildung, Soziales oder Pflege – zu tun haben – „alles Punkte, wo wir in einer wachsenden Stadt nicht sparen können“. Hier brauche es „bessere Verhandlungen mit dem Bund“ – Stichwort Finanzausgleich. Einsparungspotenzial sieht sie etwa in einer länderübergreifenden Finanzierung des Gesundheitsbereichs, den man als „Gesundheitsverbund Ost-Region“ – vergleichbar mit dem VOR auf Öffi-Ebene – denken solle.
Bildung haben die Grünen neben Klimaschutz und leistbarem Wohnen ebenfalls zum Hauptthema auserkoren. „Ich finde, dass die NEOS (als Verantwortliche für das Bildungsressort in Wien, Anm.) hier unglaublich viel liegen gelassen haben“, denn Kindergärten seien anders als Schulen allein Landeskompetenz: „Wenn ich mir die Zahlen ansehe, dass 45 Prozent der Schülerinnen und Schüler in der ersten Volksschulklasse nicht ausreichend Deutsch können, um dem Unterricht zu folgen, und von diesen 45 Prozent waren 80 Prozent zwei Jahre oder mehr im Kindergarten, dann gibt es hier ein großes Versagen im Bildungssystem.“ Pühringer plädiert u.a. für den Ausbau von Deutschförderkräften und eine bessere Durchmischung von Kindern mit deutscher und nicht deutscher Erstsprache in Volksschulen.
Hohe Ausschlussquote bei Wahl ein „Skandal“
Die Tatsache, dass laut jüngsten Erhebungen 35 Prozent der Wienerinnen und Wiener mangels österreichischer Staatsbürgerschaft nicht an der Gemeinderatswahl am 27. April teilnehmen können, hält Pühringer für „demokratiepolitisch wirklich bedenklich“: „Das ist schon auch ein Skandal“, denn darunter fänden sich „ganz viele junge Menschen, die hier geboren sind und Wien als ihre Heimat empfinden“. Diese bei Wahlen nicht teilhaben zu lassen, sei „ein fatales Signal“. Die grüne Frontfrau fordert deshalb die Entkoppelung des kommunalen Wahlrechts von der Frage der Staatsbürgerschaft: „Ich spreche mich dafür aus, dass alle Menschen, die lange genug in Wien leben, auch wählen dürfen auf kommunaler Ebene.“ Das solle für alle gelten, die mindestens zehn Jahre in der Bundeshauptstadt gemeldet sind.
Bei der Frage nach dem Wahlziel will sich Pühringer nach dem Rekordergebnis von 14,8 Prozent 2020 nicht auf eine Marke festlegen. „Es geht darum, so stark zu sein, dass man in dieser Stadt nicht an uns vorbeikommt“, plädiert sie einmal mehr für ein Comeback von Rot-Grün für eine „klimasoziale Stadt“ im Gegensatz zum rot-pinken „Stillstand“ oder einer rot-schwarzen „Betonvergangenheit“. Das persönliche Verhältnis zu Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bezeichnet sie als „sehr gut“. Sie schätze ihn für sein historisches Wissen, „seine klare Kante gegen Antisemitismus und Faschismus“ und er sei „ein Genussmensch – das bin ich auch“.
Sollten die Grünen weiter in Opposition bleiben, wird Pühringer dann persönliche Konsequenzen ziehen? Dafür müsse man sich etwa auch das Wahlergebnis anschauen. „Das sind Fragen, die nach dem 27. April besser zu beantworten sind als heute.“