Sollen ÖVP und SPÖ für eine Koalition zusammenfinden, müssen sie große inhaltliche Gräben überwinden.

Ein Blick in die Wahlprogramme der beiden Parteien zeigt eklatante programmatische Unterschiede, wobei angesichts des Drucks zur Budgetsanierung wohl Steuerfragen zu den gewichtigsten Knackpunkten gehören könnten. Doch auch in Sozial-, Bildungs- und Ökologiefragen spießt es sich. Kompromissbereitschaft ist also gefragt.

So will die ÖVP die Lohnnebenkosten kürzen und die Abgabenquote insgesamt von derzeit rund 43 auf 40 Prozent senken. Den Eingangssteuersatz bei den Einkommen will sie von 20 auf 15 Prozent reduzieren, die 40-Prozent-Steuerstufe abschaffen. Die jüngst auf 23 Prozent gekürzte Körperschaftssteuer (KöSt) für die Unternehmen möchte die Volkspartei noch weiter absenken. Gegenfinanzieren will die ÖVP das etwa durch Einschnitte bei Sozialleistungen, weniger Subventionen, aber auch durch Wachstumsimpulse aus Steuersenkungen.

Babler will auch eine Arbeitszeitreduktion

Die SPÖ geht hier in die entgegengesetzte Richtung. Sie plädiert etwa für eine KöSt-Erhöhung auf wieder 25 Prozent. Weitere SPÖ-Wünsche zulasten von Arbeitgebern und Eigentümern waren für die ÖVP bisher ein No-Go, etwa eine Vermögens- und eine Erbschaftssteuer. SPÖ-Chef Andreas Babler will auch eine Arbeitszeitreduktion, ÖVP-Obmann Karl Nehammer ganz im Gegenteil dazu einen Vollzeitbonus.

Beim Sozialen steht für die ÖVP die “temporäre Hilfe zur Selbsthilfe” im Vordergrund, Sozialhilfe soll es für Zuwanderer erst nach fünf Jahren geben, das Arbeitslosengeld soll degressiv sinken. Die SPÖ will hingegen die Nettoersatzrate für Arbeitslose auf 70 Prozent steigern. Ein starker Sozialstaat – inklusive einer neuen Kindergrundsicherung – und ein ebensolches Pensionssystem gehört zum inhaltlichen Kern der Sozialdemokraten. Im Gesundheitsbereich wollen sie die Privatmedizin zurückdrängen, die ÖVP will für mehr Kassenärzte sorgen.

Unterschiedliche Akzente im Asyl- und Migrationsbereich

Unterschiedliche Akzente gibt es auch im Asyl- und Migrationsbereich. Die Volkspartei setzt hier auf Härte und wünscht sich Asylzentren sowie Strafvollzug in Drittstaaten, eine Aussetzung oder zumindest Kontingentierung des Familiennachzugs und weitere Verschärfungen beim Zugang zur österreichischen Staatsbürgerschaft. Die SPÖ will zumindest Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und mehr Abkommen, um Abschiebungen abgewiesener Asylwerber zu erleichtern. Einigen können sich beide auf Neutralität und Ukraine-Unterstützung in der Sicherheitspolitik.

Leistung will die Volkspartei auch in der Bildung als Credo leben. In Mittelschulen will die ÖVP wieder flächendeckend Leistungsgruppen einführen. Auch eine “Bildungspflicht”-Prüfung am Ende der Schulpflicht schwebt ihr vor. Im Gegensatz zur Differenzierung pocht die SPÖ hingegen auf eine gemeinsame Schule für Kinder von sechs bis 15 Jahren und den Ausbau von Ganztagsschulen.

Beim Klimaschutz bremst die ÖVP und bemüht dafür den “Hausverstand”. Keine Verbote, sondern neue Technologien (“grüne Verbrenner”) sollen beim Erreichen der Pariser Ziele helfen. Für die SPÖ ist CO2-Neutralität bis 2040 “alternativlos”. Deshalb will sie das von der ÖVP in der letzten Legislaturperiode abgewürgte Klimaschutzgesetz. Ein Transformationsfonds in Höhe von 20 Milliarden Euro soll für eine ökosoziale Umwandlung der Wirtschaft bereitstehen. Für den Bau weiterer großer Straßenprojekte können sich jedoch beide Parteien begeistern.

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