Nach seinem Sturz durch ein Misstrauensvotum im Parlament reicht Frankreichs Premierminister Michel Barnier am Donnerstag den Rücktritt seiner Regierung bei Präsident Emmanuel Macron ein. Barnier wird um 10.00 Uhr im Elysée-Palast erwartet, wie das Präsidialamt am Mittwochabend mitteilte. 331 der derzeit 574 Abgeordneten hatten zuvor in der Nationalversammlung für den Misstrauensantrag der linken Opposition gestimmt.

Auslöser war ein Streit über Einsparungen im Budget in Zeiten knapper Kassen. Es war das erste Mal seit 1962, dass eine französische Regierung über ein Misstrauensvotum stürzt. Der erst im September ernannte Barnier wird damit zum Premierminister mit der kürzesten Amtszeit in Frankreichs jüngerer Geschichte. Macron, der erst wenige Minuten vor der Abstimmung von einem Staatsbesuch in Saudi-Arabien zurückgekehrt war, muss nun einen neuen Regierungschef ernennen. Er will sich am Donnerstag um 20.00 Uhr in einer TV-Ansprache an das Land wenden. Eine Neuwahl kann frühestens im Juli 2025 stattfinden.

Das Kabinett kann übergangsweise im Amt bleiben, um die Tagesgeschäfte zu erledigen. Gleichwohl dürfte die Entwicklung die schwächelnde Nummer zwei der Volkswirtschaften in der Eurozone noch tiefer in politische Turbulenzen stürzen.

Nachfolger völlig offen

Wer Barnier nachfolgen könnte, ist noch offen. Ideal wäre ein Kandidat, der über Parteigrenzen hinweg Zuspruch bekommt. Dies sollte der ehemalige EU-Kommissar Barnier als Brückenbauer allerdings auch schon sein. Alternativ könnte Macron auch eine Expertenregierung einsetzen, die ohne politisches Programm ins Amt käme. Dennoch würde die neue Person vor denselben Herausforderungen stehen wie Barnier bei dem Vorhaben, Gesetze und das Budget für 2025 in einem Parlament zu verabschieden, in dem man keine Mehrheit hat. Das könnte das nächste Misstrauensvotum nach sich ziehen. Ein neues Parlament kann nicht vor Juli 2025 gewählt werden.

Barniers Budgetentwurf hatte darauf abgezielt, das Haushaltsdefizit von voraussichtlich sechs Prozent in diesem auf fünf Prozent im kommenden Jahr zu drücken. Dazu sollten Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen im Volumen von fast 60 Milliarden Euro sorgen. Rechte und Linke monierten vor allem geplante Kürzungen.

Der französische Aktienindex CAC 40 ist im Gegensatz zu den großen Indizes vieler anderer Länder in den vergangenen Monaten um etwa zehn Prozent abgesackt. Experten warnen, die Auswirkungen der Krise werde Firmen, Konsumenten und Steuerzahlern schaden. Es handle sich um eine schleichende Krise, die zu einer anhaltenden Verschlechterung der Kreditwürdigkeit des Staates führen werde, sagte etwa Christian Kopf von Union Investment.

Macron hat die Malaise selbst mit ausgelöst, als er nach schlechten Ergebnissen bei der Europawahl Parlamentswahlen für Juni in der Hoffnung ausrief, sein eigenes Lager zu stärken. Tatsächlich kam es aber zu einem Patt. Seine Amtszeit als Präsident läuft bis Mitte 2027 und er kann nicht vom Parlament abgesetzt werden. Die rechtsnationale Partei Rassemblement National (RN) um die Abgeordnete Marine Le Pen und die Linke haben angesichts der Krise im Land aber bereits wiederholt seinen Rücktritt gefordert. Dies hat er zuletzt am Dienstag abgelehnt.

Gute Chancen auf Macrons Nachfolge rechnet sich Le Pen aus, die 2017 und 2022 jeweils in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen Macron unterlag. Allerdings ist für Ende März 2025 ein Urteil im Prozess gegen Le Pen und ihre Partei wegen Veruntreuung von EU-Geldern angekündigt, das weitreichende Folgen haben könnte: Die Staatsanwälte haben gefordert, dass Le Pen für fünf Jahre keine öffentlichen Ämter bekleiden darf. Der Ausgang ist offen.

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