“Ich habe Sorge um die Demokratie!” Im großen oe24.TV-Interview zur neuen, für 31. Jänner erwarteten CD “Wimpernschlag” wird Rainhard Fendrich wieder laut. 

Am 31. Jänner bringt Rainhard Fendrich die neue CD „Wimpernschlag“, sein erstes Werk seit dem 2019er Top-Hit Starkregen, mit dem er die Feierlichkeiten zum 70. Geburtstag (27. Februar) und dem 45-jährigen Bühnenjubiläum (große Österreich-Tour) startet und sich auch wieder als das “Gewissen des Austropop” erweist. Mit Songs über die Flüchtlingskrise („Über’s Meer“), die Einsamkeit im Alter („Nebenan“) oder dem Streben nach einer Welt ohne Gewalt („Nie mehr Krieg) an. Dazu ruft er mit „Glaub ned alles“ auch dazu auf, sich nicht dem Populismus hinzugeben! Noch schärfer wird Fendrich  im oe24.TV-Interview:

Wie kam es zum Album-Titel „Wimpernschlag“?
Rainhard Fendrich:
Wimpernschlag ist eigentlich ein lyrischer Zeitbegriff für etwas, das schnell vergeht. Das habe ich abgeleitet von einer Dokumentation, die ich über die Entstehung der Erde gesehen habe. Also wenn man die Erde als 24-Stunden-Skala auf einer Uhr sieht, dann wäre die Menschheit erst drei Minuten hier und in diesen drei Minuten ist es uns gelungen, das an den Kollaps zu bringen.

Sie liefern damit wieder einen Mix aus launigen Liedern wie “Wladmir” und dann doch auch sehr ernsten
Fendrich:
Alle meine lustigen Lieder sind eigentlich ernst. „Wladimir“ habe ich schreiben müssen, denn ich wollte mit diesem Lied einen Narzissen entzaubern. Was mich jedoch total verwundert ist, dass einige Rundfunkanstalten sagen: „Uns gefällt das Lied unheimlich gut. Aber das können wir leider nicht spielen.“ Sag ich: „Warum nicht?“ – „Ist schwierig, gefährlich.“ Also die Angst geht da irgendwie schon um und man hat Angst, sich irgendwie politisch zu deklarieren. Und was mir Sorge macht ist, gerade was dieses Thema betrifft, dass auch der Ukrainekrieg einen Riss in der Gesellschaft hervorgerufen hat. Und diese imperialistischen Eroberungsfeldzüge, die der Trump vorhat oder auch nicht. Das macht mir wirklich Angst. Und ich bin sehr verwundert, dass manche Lieder nicht gespielt werden, kann aber damit leben.

Spannend: in zwei der neuen Songtitel verwenden Sie das Wort „Krieg“. Ist das auch ein Statement der Zeit?
Fendrich:
Naja, mit manchen Liedern stelle ich mir selbst Fragen. „Die Kinder des Krieges“ ist ein Lied, das hat es schon mal ansatzweise gegeben. Das hat aber einen ganz bestimmten Ursprung. Wenn du in diese Bilder siehst. Vom Krieg, vom Gazastreifen, von Kindern, die in einem Lager geboren sind, in einem Lager aufwachsen. Nur Hunger, Bomben-Hagel und elendes Leben. Da stelle ich mir die Frage: Was werden das für Erwachsene? Was wächst da für eine Generation heran? Und das zweite Lied „Nie wieder Krieg“ hat den Ursprung in den 70ern, denn eines der ersten Lieder, das ich auf dem Klavier spielen konnte war „Imagine“ von John Lennon. Und wir haben das alle gesungen, aber sehr lapidar und haben den Inhalt gar nicht verstanden. Und je älter ich werde, desto mehr sage ich, das ist eine Illusion. Und ich habe mir die Frage gestellt, weil es ist ja wirklich so, dass wir das Gefühl haben, dass die ganze Menschheit in Geiselhaft von einer Handvoll Despoten ist, die narzisstische Wahnvorstellungen haben. Was müsste passieren, dass es keine Kriege mehr gibt? Auch eine Illusion. Das eine ist ein sehr besorgniserregendes Lied, weil ich wirklich Angst habe vor der Generation, die den Westen verständlicherweise nicht toll finden wird. Und das andere ist eine Illusion. Eine Wunschvorstellung, weil es will keiner Krieg! Das sind Dinge über die ich schreiben muss: Aber ich sage immer: Musik ist eine freiwillige Veranstaltung. Das muss man nicht hören.

Bezeichnend: die allerletzte Zeile dieser CD, ja möglicherweise sogar ihrer Karriere ist „Nie wieder Krieg“
Fendrich:
Gut, dass Sie das erkannt haben. Das wollte ich zum Schluss haben. Und das würde ich mir auch für unsere Kindergeneration wünschen, denn dieses Angstgefühl war noch nicht so nahe wie jetzt.

“Ich habe Sorge um die Demokratie” 

In einem Ihrer letzten ÖSTERREICH-Interviews haben Sie auch “eine große Sorge um Österreich” bekundet. Sind Ihre Sorgen nun größer geworden?
Fendrich:
Ich habe Sorge um die Demokratie. Und ich bin auch draufgekommen, dass man mit der Demokratie keine Wahlen gewinnen kann. Das hat man in den Vereinigten Staaten gesehen, weil sie so selbstverständlich da ist, wie die Luft zum Atmen. Nur wenn sie geht, dann merkt man es, was man verloren hat. Und als allererstes geht die Meinungsfreiheit. Und das spiegelt sich schon da wieder, dass Freunde von mir, Schauspielerkollegen, sagen: „Ich äußere mich nicht mehr politisch. Ich brauche keinen Shitstorm“. Und da fängt es schon an. Du wirst beschimpft, du wirst bedroht und letztendlich verfolgt. Und das macht mir wirklich Angst. Und wenn diese Freiheit mal weg ist, ist es ganz schwer sie wieder zurückzubekommen. Und wenn ich einen Appell habe, dann jenen: Wir müssen aufhören, uns einander zu verletzen. Das ist der Anfang von dem Ganzen. Was ich erlebe in der ganzen politischen Landschaft, wie Spitzenpolitiker miteinander umgehen, welche Fäkalsprache sie haben, das ist unter jeder Würde. Ich erwarte von einem Politiker, einem Volksvertreter, dass er sich ordentlich ausdrückt und nicht wirklich aufs Tiefste beschimpft. Das kann wirklich nicht sein. Und man müsste wirklich damit anfangen, dass man diesen Hass, der ja dem Hassposter, in diesem Moment ein Lustgefühl bereitet: „Von wegen dem habe ich es jetzt aber gegeben“, stoppt. Das das ist für mich eine vollkommen kranke Form der Selbstbefriedigung. Der bleibt ja in die einem drinnen und macht uns krank, psychosomatisch. Wir müssen aufhören, uns gegenseitig zu verletzen. Das wäre mal ein Anfang. Man kann nicht Menschen, die nur eine andere politische Einstellung haben, egal ob die jetzt Recht haben nicht, durch Beleidigen ausgrenzen. Das geht nicht. Man muss anders miteinander umgehen. Und wir sollten das versuchen. Ich versuche es. Ich habe keine Angst vor einem Shitstorm. Ich habe schon so viele gehabt, das überlebt man. Weil Scheiße kann man abwaschen. Aber es ist nicht notwendig. Es bringt nichts. Diese Hassspirale wird immer weitergehen. Und die führt ganz einfach ins Chaos. Und das braucht man nicht.

Sie sagen: keine Angst vor einem Shitstorm, aber haben Sie nicht Angst, dass sie Fans verlieren?
Fendrich:
 Es ist egal, denn die Leute, die mir einen Shitstorm schicken, sind nicht meine Fans. So etwas ist natürlich verletzend. Aber ich kann nur sagen, liebe Shitstürmer, mir geht das wirklich am Popo vorbei. Aber ich finde es schade, dass es überhaupt notwendig ist. Mir tun eigentlich die Leute leid, die mit dieser Heckenschützen- Mentalität ihren Hass loswerden wollen. Die werden ihn aber nicht los. Der wird immer mehr und die werden immer kränker. Und das finde ich schade.

“Eine rechtspopulistische Regierung muss man nur einmal wählen!” 

Manche sagen, sie verlassen Österreich wenn eine rechtspopulistische Regierung kommt, Sie aber sagen: Man muss in Österreich blieben und wachsam sein
Fendrich:
Man muss da bleiben! Ich bin jetzt nicht im Widerstand, so schlimm ist es noch nicht. Ich versuche, mich mit der Thematik auseinanderzusetzen und hoffe, Gleichgesinnte zu finden. Eine rechtspopulistische Regierung muss man nur einmal wählen. Das ist das Problem. Und vielleicht passiert ein Gesinnungswandel. Ich schimpfe nicht auf die FPÖ. Ich schimpfe auch nicht auf die Wähler. Ich bin jetzt viel im Ausland unterwegs. Es ist wieder so, dass wir das Naziland sind. Wie es auch schon mal war in den 90er Jahren. Es ist wieder so, weil wir eben als stärkste Partei eine rechtspopulistische Partei haben. Aber ich verwehre mich gegen die Gedanken, und da verteidige ich Österreich: Wir haben nicht ein Drittel Rechtsradikale, sondern die sind vielleicht rechtskonservativ. Und wenn man die Leute in den Umfragen hört, die haben auch nichts gegen Ausländer. Ich habe Angst vor Statements wie „die Justiz muss der Politik folgen“. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen. Oder die „die Presseförderung muss auf neue Beine gestellt“ werden. Das ist sehr gefährlich. Das Dritte ist: „Festung Österreich“. Wie soll das bitte gehen? Da muss man doch nur am Stammtisch einen kleinen Schritt weitergehen und sagen, wollen wir eine Mauer drum machen oder wollen wir die grüne Grenze bewachen? So viel Personal haben wir ja gar nicht. Und was sind wir denn eigentlich für ein Land? Wir haben keine Bodenschätze.

“Ich schäme mich wirklich als Österreicher, wenn ich höre, wie Politiker miteinander umgehen.” 

Das Wasser könnte man verkaufen, oder?
Fendrich:
Das Wasser könnte man verkaufen. Noch lachen wir, aber das ist unser Kapital. Wir können uns Isolation nicht erlauben. Das muss man doch irgendwie verstehen. Und das ist ja auch so, dass westliche Geheimdienste Österreich nicht mehr vertrauen. Das ist eine Kettenreaktion, die ist nicht notwendig. Wir dürfen uns das nicht durch dieses gegenseitige Zerfleischen kaputt machen. Und ich schäme mich wirklich als Österreicher, wenn ich höre, wie Politiker miteinander umgehen. Ich schäme mich wirklich. Das tut mir wirklich weh. Diese Sprache ist eines Spitzenpolitikers unwürdig.

In den 90er-Jahren hatten Sie dafür ein musikalisches Statement, das oft falsch verstanden wurde: „I am from Austria“
Fendrich:
 Jetzt verstehen wir es wieder richtig. Das Lied hat sich verselbstständigt. Ich möchte den Namen nicht erwähnen, weil ich möchte diese Familie nicht mehr anpatzen. Die kennen nichts dafür. Aber es war der ehemalige UNO-Generalsekretär, dem man halt eine Nazi-Vergangenheit eine NS-Vergangenheit eine SA-Vergangenheit nachgesagt hat. Ich war damals oft in Amerika. Und die Leute haben gesagt: „Oh, you’re coming from the Nazi country! Meine Nachbarn, das kennt auch schon jeder, waren Österreicher und haben sich deshalb als Schweizer ausgegeben. Und dann ist irgendwie dieses Lied gekommen. Unter dem Motto: „Jetzt erst recht. Das geht nicht.“ Ich finde vieles nicht in Ordnung in diesem Land, aber ich liebe meine Heimat. Und man kann auch seine Heimat lieben, ohne andere zu hassen. In Wien gehen mir so viele Sachen auf die Nerven. Aber ich liebe diese Stadt. Ich wollte nie woanders leben. Ich fühle mich da wirklich wohl, mit allem Genörgel. Ich fühle mich im 10. Bezirk sauwohl. Ich kann das nicht anders sagen. Und ich kenne auch viele Leute. Es sind viele Ausländer. Die sind oft freundlicher als die Wiener. Aber das ist ganz einfach so. Das Lied hat sich verselbstständigt. Und ich habe nichts dagegen, wenn man das in einem Fußballstadion singt. Da ist einfach ein großes Zusammengehörigkeitsgefühl. Aber ich habe ein großes Problem, wenn die Identitären das Lied spielen, mit dem Hitlergruß. Da kann ich nichts dagegen machen. Da kann ich mich halt nur distanzieren. Aber im Endeffekt gehört das Lied nicht mehr mir. Das hat sich verselbstständigt. Und jetzt ist es halt wieder aktueller denn je. Leider. Mir wäre lieber, wir müssen es nur in den Fußballstadien singen. Oder bei meinen Konzerten.

Mit “Wir sind am Leben” liefern sie jetzt wieder ein positives Statement.
Fendrich:
“Wir sind am Leben” ist für mich das Prinzip Hoffnung. Ich gebe zu, es ist naiv, aber ich muss mir diese Naivität bewahren, weil sonst ist alles zu spät. Ich muss daran glauben und ich will daran glauben, dass dieses Ruder irgendwie herumgerissen werden kann. Das ist das Prinzip Hoffnung. Die Hoffnung stirbt nicht zuletzt: sie darf nie sterben.

Mit jedem Album gehen Sie auch ein gewisses Risiko ein, weil Sie sich dadurch angreifbar machen.
Fendrich:
Als Künstler ist man immer angreifbar. Wenn man sich nicht mehr angreifen lässt, muss man sich einen anderen Beruf suchen. Und ich glaube, wenn die Kunst nicht mehr aufregt, dann verliert sie ihre Berechtigung. Was steht auf der Secession: „Der Zeit ihre Kunst. Der Kunst ihre Freiheit.“ Das lebe ich.

Fendrich mit oe24-Reporter Thomas Zeidler

Am 27. Februar werden Sie 70. Haben Sie Angst vor dem Tod?
Fendrich:
Nein, vor dem Sterben habe ich Angst. Ich glaube nicht, dass die Natur grausam ist. Nur die Todesarten, die es zurzeit gibt, sind irgendwie nicht erbauend. Vielleicht ist das auch Natur, muss man sagen. Aber ich setze mich mit der Endlichkeit
schon auseinander. Das kann man sich nicht weglügen. Aber Angst weiß ich nicht. Ich genieße die Zeit mehr als fast in meiner Jugend. Da weiß man es nicht zu schätzen, doch jetzt wird Zeit absehbarer und somit auch kostbarer. Ich bin Frühaufsteher geworden, das ist kein Witz. Ich stehe manchmal schon um 4 Uhr auf. Vor allem im Sommer. Ich genieße die Zeit. Ich gehe mit meinem Hund, wenn noch niemand geht. Es ist erbauend, wenn man über eine Wiese geht und die ist noch feucht. Man kann seine Gedanken schweifen lassen und dann geht der ganze Trubel los.
Ich schätze die Zeit, die ich habe. Ein Freund von mir sagt immer: „Wir sind schon in der Nachspielzeit. Und wenn man in der früh aufwacht und es tut einem nichts mehr weh dann ist man tot.“ So schlimm ist es noch nicht, man muss aber achtsamer umgehen. Und wir müssen wirklich aufhören, uns einander zu verletzen. Das wäre mir ein großes Anliegen. Auch an mich, denn ich bin auch manchmal ein Häferl. Aber ich habe gelernt, mich zu beherrschen und bin draufgekommen, dass Druck nur Gegendruck erzeugt.

Interview: Thomas Zeidler-Künz

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