Dem erprobten “System Kogler-Maurer”, das die Grünen so sicher in der Koalition hielt, werden durch die Affäre Schilling seine Grenzen aufgezeigt. 

Disziplin. Wer hätte das beim Antritt der türkis-grünen Koalition Anfang 2020 gedacht? Mehr als 4 Jahre regieren die Grünen mit und müssen längst dabei zuschauen, wie vom Koalitionspartner ÖVP Punkt für Punkt desavouiert wird – und es gibt keinen Aufstand.
Vier Jahre also hat die Doppelspitze mit Werner Kogler und Sigrid Maurer das Kunststück geschafft, den grünen Laden zusammenzuhalten. Das kostet Kraft – und geht auch nicht ganz ohne „Zuckerbrot und Peitsche“ ab, wie es ein Grüner nennt, also nicht ohne Verwundungen. Und durch den Fall Schilling bekommt das System nicht nur Sprünge – es droht sogar viel Schlimmeres.

Das hat viele Gründe, einer ist die Kür Schillings zur EU-Kandidatin selbst: Eine 23-Jährige ohne Partei-Standing zum Aushängeschild zu machen. erschien vielen als zu riskant. Es hätte auch gute Alternativen gegeben, genannt wurde die renommierte Außenpolitikerin Ewa Ernst-Dziedzic, die perfekt für den Job gepasst hätte. Doch Kogler und Maurer hielten an Schilling fest – auch noch zu einem Zeitpunkt, als die Vorwürfe bereits die Runde machten, ja sogar aktenkundig waren.


Trist. Verwundungen in Sachen Koalitionsdisziplin und Schilling also – und eher triste Zukunftsaussichten: Die Grünen dürften – wenn nicht ein kleines politisches Wunder geschieht – mit Jahresende aus der Regierung fliegen. Kommt Blau-Schwarz, haben sie eh nichts zu melden. Raufen sich SPÖ und ÖVP auf eine Koalition zusammen, werden sie als „drittes Rad am Wagen“ eher die Neos holen – da sind sich Rot-Schwarz einmal einig: Die Grünen sind ihnen vor allem in Klimafragen schlicht zu anstrengend.


Neue Parteispitze. Dazu kommt, dass die Grünen vor einem gröberen Personal-Umbau stehen, Werner Kogler geht zwar noch als Parteichef in die Wahl – in die Opposition führen wird er sie wohl nicht. Grünen-Insider machen einen Machtkampf aus: Die logische Nachfolgerin Leonore Gewessler hat keine Hausmacht. Auf der anderen Seite werden Maurer sowie dem oö. Landesparteichef Stefan Kaineder Ambitionen nachgesagt – und von Maurers Social-Media-Offensive mit frechen TikTok-Videos befeuert.


Almauftrieb. Noch hält das Werkl zusammen, im Parlamentsklub gibt es Solidarität mit Maurer und Ärger über „Verräter“, die Interna durchstecken. Auf der anderen Seite ist der verunglückte Verteidigungs-Auftritt – intern „Alm­auftrieb“ genannt. So nannte Kogler die Vorwürfe gegen Schilling wörtlich „Gefurze“. Vor allem in der Wiener Partei gärt es längst deshalb.


Waldheim-Effekt. Kogler und Maurer hoffen indes auf einen „Jetzt-erst-recht“-Effekt a la Waldheim: Dass also die Angriffe Schilling sogar noch nützen. Ausgeschlossen ist das keineswegs – peinlich aber allemal  

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