Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott wurde bei seinem ersten Prozesstag emotional – der Richter musste einschreiten.
Am Wiener Landesgericht hat am Mittwoch unter regem Medieninteresse ein erster Prozess gegen den Ex-Chefinspektor im mittlerweile aufgelösten Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) Egisto Ott begonnen. Inkriminiert sind die Vorwürfe der Verletzung des Amtsgeheimnisses und Vergehen gegen Datenschutzbestimmungen. Mitangeklagt ist der Ex-FPÖ-Politiker Hans Jörg Jenewein. Beide Angeklagte bekannten sich zum Kern der Vorwürfe “nicht schuldig”.
Ott griff den Staatsanwalt an
Ott zeigte sich bei seiner Einvernahme durchaus emotional. Bei der Befragung durch den Richter richtete er sich immer wieder an den Staatsanwalt. Der Bitte des Vorsitzenden, das zu unterlassen, kam er nicht nach: “Nein ich kann ihn nicht in Ruhe lassen, er lässt mich auch nicht in Ruhe”. Fragen des Staatsanwalts wollte er erwartungsgemäß auch nicht beantworten: “Ich will beim besten Willen nicht mit ihm diskutieren”.
Zuvor war aber ohnehin der Richter an der Reihe. Als Mitglied des Sicherheitsausschusses hätte Jenewein ohnehin die Möglichkeit gehabt, die Informationen einzusehen, die Ott mit teilte. Er habe einem Mitarbeiter im BVT geschrieben er “brauche Namen. (…) Bitte dringend Namen”, verlas der Richter einen Chat. Ott bekräftigte mehrmals, dass der Mitarbeiter “auswärtige” Quellen gehabt hatte, und er sicher “keine Quelle im BMI oder BVT angezapft” habe.
Ott habe, auch nach seiner Suspendierung und zu einem Zeitpunkt, an dem er keinen Zugang mehr zu Datenbanken hatte, sich sehr für das BVT “und die Missstände dort” interessiert. “Ab dem Jahr 2000 hat sich sehr viel geändert in dieser Republik, und für die Missstände bin nicht ich verantwortlich”, betonte er. Zwar nicht Teil der Anklage, dennoch hielt Ott fest: Der Vorwurf, dass er für Russland spioniert haben soll, sei “absurd”.
Jenewein verfolgte bei seiner Einvernahme die Linie, die Namen, nach denen er gefragt hatte, bereits gekannt, nur nicht zur Hand gehabt zu haben. Glauben wollte ihm der Richter das nicht so ganz: “Da schreibe ich doch ‘du, hearst, wer war da noch dabei’ und nicht ‘Kannst du herausfinden wer aller in Warschau war?'”. Jenewein bestand darauf, dass er “aus Bequemlichkeit” gefragt habe. “Aber es wird dargestellt, als ob das das große Staatsgeheimnis gewesen ist, aber tatsächlich war es das nicht”. Über den Kontrollausschuss wäre er auch an die Daten gekommen, aber das wäre “ein sehr mühsamer Prozess” gewesen. Dass er Fotos aus dem U-Ausschuss weitergeschickt hatte, bestritt er nicht. “Es war keine gute Idee, was wollen’s jetzt noch von mir hören?” antwortete Jenewein dem Richter. In der Weitergabe von Chats des ehemaligen Sektionschefs im Justizministerium, Christian Pilnacek, sah Jenewein kein Problem: “Zu diesem Zeitpunkt hat sich die ganze Republik bereits über die Chats unterhalten”.
Sein Anwalt stellte die “amikale Umgangsweise” zwischen Ott und seinem Mandanten nicht in Abrede. “Es ist richtig, dass er (Jenewein, Anm.) ihn (Ott, Anm.) kurzerhand nach einigen Namen gefragt hat, es ist richtig, dass er Dokumente geschickt hat.” Jenewein hätte etwa den Ibiza-Detektiv Julian Hessenthaler und mehrere als Auskunftspersonen geladene BVT-Beamte im U-Ausschuss fotografiert und die Fotos an Ott bzw. eine Redakteurin des “Wochenblick” geschickt. “Das war wahrscheinlich keine rasend gute Idee, keine Meisterleistung”, räumte der Anwalt ein. Die Frage sei aber, weshalb Jenewein die Namen haben wollte. Es sei ein “politischer Kontrollvorgang” gewesen: “Es ging um Missstände im BVT. Es ist darum gegangen, zu schauen, ob da suspendierte Beamte teilnehmen. Es musste die innere Sicherheit Österreichs gewährleistet sein”. Für den Rechtsvertreter Jeneweins war “der Tatbestand der Verletzung des Amtsgeheimnisses nicht erfüllt”.
Josef Phillip Bischof, Otts Rechtsvertreter, wollte “nicht das Bild zeichnen, es gibt hier nichts zu sehen”. Im Gegenteil, “es gibt viel zu sehen, aber sie werden hier keinen Spion sehen”, machte er einmal mehr darauf aufmerksam, dass es heute nicht um die Spionage-Vorwürfe geht. Sein Mandant habe “schlicht Namen weitergegeben”, nach dem Motto: “Jo, der Müller Ferdl war ah dabei”. “Ein paar Namen wurden weitergegeben, von einem BVT-Beamten an ein Kontrollorgan. Das soll strafbar sein?”, sah auch er den Tatbestand nicht erfüllt. “Das ist dasselbe, wie wenn sich ein Lokalbetreiber darüber aufregt, dass die Lebensmittelbehörde in seinem Kühlschrank nachschaut”.
Nicht Teil dieser Hauptverhandlungen sind mehrere Spionage-Anschuldigungen, denen sich Ott ausgesetzt sieht. In diesem Zusammenhang wird gegen ihn von der Staatsanwaltschaft Wien seit 2017 wegen Amtsmissbrauchs, geheimen Nachrichtendiensts zum Nachteil Österreichs und weiterer Delikte ermittelt. Am 29. März 2024 wurde er fest- und bis zum 26. Juni in U-Haft genommen. Ausschlaggebend für die Inhaftierung waren Informationen, Ott habe Diensthandys von drei früheren Kabinettsmitarbeitern des seinerzeitigen Innenministers Wolfgang Sobotka (ÖVP) dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB übergeben. Ott bestreitet sämtliche Vorwürfe.
Auch für den Richter überraschend früh ging der erste Prozesstag mit den Einvernahmen der beiden Angeklagten bereits zu Mittag zu Ende. Ein weiterer Verhandlungstermin ist für Freitag anberaumt, dann sollen mehrere Zeugen vernommen werden. Ein Urteil ist dann aber noch nicht zu erwarten, da sich einer der Zeugen krankgemeldet hat.