Im Superwahljahr 2024 sind auf der ganzen Welt rechte und rechtsextreme Parteien im Aufwind. Muss man sich Sorgen um die Demokratie machen?
Nicht nur die FPÖ in Österreich, auch in vielen anderen Ländern Europas und der Welt verzeichnen rechtsgerichtete Parteien großen Zulauf. Auf der anderen Seite wird derzeit aber auch im großen Stil gegen Rechtsextremismus mobil gemacht: Zuletzt gingen in Deutschland bei Großdemonstrationen in mehreren Städten hunderttausende Menschen auf die Straße, um gegen die AfD zu protestieren.
Auslöser war ein Enthüllungsbericht der Rechercheplattform Correctiv über ein geheimes Treffen von Rechtsradikalen in Potsdam, bei dem auch mehrere AfD-Politiker und CDU-Mitglieder anwesend waren. Unter anderem trat dort auch Martin Sellner auf, um über “Remigration”, also die Abschiebung von Ausländern, aber auch von Staatsbürgern mit Migrationshintergrund zu sprechen.
Aus diesem Anlass gingen vergangene Woche auch in Wien 80.000 Menschen auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu demonstrieren.
Angesichts dieser Entwicklungen hielt am Dienstagabend der bekannte deutsche Politologe Herfried Münkler unter dem Titel “Demokratie in Gefahr” einen Vortrag in Wien. Danach stand der Experte in der “Zeit im Bild 2” Armin Wolf Rede und Antwort. Laut Münkler stehe die Demokratie in Europa am Abgrund – ob das nicht sehr dramatisch sei und man sich wirklich Sorgen machen müsse, wollte der ORF-Moderator wissen.
“Ich glaube schon”, erklärte der Politikwissenschaftler und präzisierte: “Am Abgrund heißt ja nicht, dass sie (die Demokratie, Anm.) schon runtergefallen ist, sondern dass sie bedroht ist.”
Der demokratische Rechtsstaat sei begründet auf dem Prinzip der Entschleunigung von Entscheidungen, erklärte Münkler. Aber: “In bestimmter Hinsicht sind diese Prozesse zu lang geworden. Da gibt es dann unendlich viele Verwaltungsgerichte, vor denen Entscheidungen landen.” So hätte sich bei vielen die Vorstellung durchgesetzt, Demokratie würden nicht entscheiden können. “Es muss aber schnell entschieden werden, als brauchen wir starke Männer und Frauen, die die Sache durchziehen”, so die denkweise vieler Wähler, die sich von Rechts angesprochen fühlen.
Zudem hätten die europäischen Demokratien von einem langen Zyklus des Wohlstands gelebt – “der ist jetzt zu Ende gegangen.” Nun müsse man eher mit einer Spreizung der Einkommen rechnen. Das führe zu einer “erheblichen Gereiztheit auch im Umgang miteinander und natürlich zu verstärken Verteilungskonflikten”, warnte der Experte.
Von einem Verbot von rechtsextremen Parteien, wie etwa aktuell in Deutschland bei der AfD diskutiert, hält Münkler wenig “Ich fürchte, im Falle der AfD würde das Gericht sagen, sie ist zwar in Teilen verfassungsfeindlich, aber zu groß, um sie noch verbieten können.” Auerdem sei zu bedenken, dass ein solches Verbotsverfahren sich über Jahre ziehen würde. Man solle der Partei deswegen nicht die Opferrolle zubilligen. “Sondern man muss die politische Auseinandersetzung jetzt suchen. Die Demonstrationen die in Deutschland jetzt stattgefunden haben, geben den Leuten die Erfahrung, wir sind nicht allein. Und die anderen, die lautstark sind, sind in Wahrheit nicht die Mehrheit.”