Nerze, Robben, Füchse, Katzen – das Vogelgrippevirus H5N1 sprang zuletzt immer wieder auf Säugetiere über. Nun gibt es Nachweise des Erregers bei Milchkühen in den USA. Seit Ende März hat das US-Agrarministerium das Virus in mehr als 30 Milchviehbetrieben in rund zehn Bundesstaaten registriert – nicht nur bei den Tieren, sondern auch in der Milch selbst.

Die WHO mahnt alle Staaten zu erhöhter Aufmerksamkeit für mögliche Infektionen bei Tier und Mensch. Angesichts von Ansteckungen bei zahlreichen Vögeln sowie mehr und mehr Säugetieren rund um den Erdball befürchten Forscher, dass sich das hochpathogene Vogelgrippevirus weiter verändert. Bei den Kühen – und in vielen anderen Fällen – geht es um die sogenannte H5N1-Linie 2.3.4.4b.

Experten überrascht

Das US-Agrarministerium ordnete unter anderem an, dass nur noch Milchkühe mit negativem Vogelgrippe-Test von einem US-Staat zum anderen transportiert werden dürfen. “Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein”, sagte Mike Worobey von der University of Arizona dem Magazin “Science”. Diese Begrenzung sei vergleichbar mit der des Flugverkehrs zu Zeiten von Covid jeweils “lange, nachdem sich die Viren an einem bestimmten Ort etabliert haben.” Es könnte schlicht zu spät sein.

“Mich überrascht es sehr, dass Kühe nun infiziert sind”, sagt Martin Beer vom für in Deutschland zuständigen Friedrich-Loeffler-Institut in Greifswald. Aus einem Infektionsversuch von 2006 habe das Institut damals geschlossen, dass Rinder “wohl kaum gefährdet” seien. Derzeit sei das Virus noch “maximal” an Vögel angepasst und habe ein geringes Potenzial Menschen zu infizieren. Bisher tue der Erreger sich etwa noch schwer damit, die angeborene Immunität des Menschen gegen das Vogelgrippevirus zu überwinden. “Doch jeder neue Säugetier-Wirt kann das Virus dem Menschen ein Stück näherbringen.”

Gefahr einer Pandemie

Auch der deutsche Epidemiologe Alexander Kekulé warnt: „Die meisten meiner Kollegen schätzen das Risiko einer Pandemie durch einen Abkömmling von H5N1 als hoch ein“, so der Experte zur BILD.

Die Ansteckung beim Menschen ist bisher noch sehr selten, da es in den menschlichen Atemwegen nur sehr wenige zu H5N1 passenden Rezeptoren gibt. „Wenn es dem Virus aber gelingen sollte, sich an die menschlichen Andockstellen anzupassen, ist die nächste Pandemie so gut wie sicher“, so Kekulé. Wenn immer mehr Säugetiere das Virus weitergeben, „steigt die Wahrscheinlichkeit einer solchen, katastrophalen Mutation“, warnt der Experte. „Deshalb müssen wir alles tun, um eine Einschleppung in Europas Milchkühe zu verhindern“.

„Wir sollten jetzt Schutzmaßnahmen ergreifen, um primär die Landwirtschaft und die Versorgungssicherheit vor einer konkreten Bedrohung und sekundär auch den Menschen vor der – bisher nur theoretischen – Gefahr einer neuen Pandemie zu schützen“, rät der Experte. Vorerst müsse sich aber niemand Sorgen machen, solange er auf pasteurisierte Milch zurückgreift.

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