Christian Stocker wünscht sich im Zuge der Koalitionsverhandlungen, dass ÖVP und FPÖ in Europa künftig mit einer Stimme auftreten. Im Europäischen Rat wird Bundeskanzler Herbert Kickl aber auf sich allein gestellt sein, so EU-Experte Stefan Lehne.  

Die ÖVP forciert in Europa ein gemeinsames Vorgehen mit der FPÖ. Im Europäischen Rat in Brüssel sitze der Bundeskanzler aber ganz alleine, so EU-Experte Stefan Lehne von Carnegie Europe in der ZIB2. Herbert Kickl wird dort auf sich gestellt sein, wobei die Entscheidungssituation im Europäischen Rat oft dynamisch und nicht voraussehbar sei. Auf neue Vorschläge müsse er spontan reagieren, auch wenn er sich zuvor innerparteilich und mit dem Koalitionspartner abgesprochen hat. Alles in allem habe er mehrere Hebel in der Hand: das Koalitionsabkommen, den Koordinationsmechanismus und das Personal.

Die neue Rolle der FPÖ in Europa 

Die FPÖ habe in diesem Jahrhundert schon zweimal mit der ÖVP koaliert. Sie sei dabei europäisch kaum auffällig geworden, da man die Europapolitik weitgehend der ÖVP überlassen hatte. Erst hätte man zwar protestiert, sich dann jedoch gefügt. Das ändere sich laut Lehne jetzt aber, und zwar aus drei Gründen:

  • Kickl habe die EU-Skepsis weiter geschürt, indem er im Wahlkampf vom “EU-Wahnsinn” sprach.
  • Kickl sitze als Bundeskanzler im EU-Rat und könne dort de facto in Eigenregie bestimmen.
  • Kickl werde die machtpolitische Konstellation im Rat verändern, da er mit Orbán und Fico fast schon eine Fraktion mit ähnlichen Vorstellungen bilde.

So werde sich Europa schwerer tun, vernünftige Positionen zu gewissen Fragen zu finden. Lehne wies darauf hin, dass heute in sieben Regierungen in der EU rechtspopulistische bzw. rechtsradikale Parteien seien, wenn auch überwiegend in einer Minderheitenposition.

Die Probleme der EU

Lehne nannte den Ukraine-Krieg, den Regierungswechsel in den USA und die hohe Verschuldung etlicher EU-Mitgliedsstaaten als Hauptprobleme der Europäischen Union. Dabei ginge es um ganz heikle Fragen, wie: Was ist zu tun? Wo geht es hin? Das Problem sei hier nicht die Agenda der Rechten, sondern ihr Blockieren von Lösungen, die nicht ihren Interessensprofilen entsprechen.

Zweifellos sei die Notwendigkeit, dass die Ukraine ein funktionierender Staat bleibt, das zentrale sicherheitspolitische Anliegen Europas. Derzeit wisse kein Mensch, wie und wann genau Donald Trump dieses Problem in Angriff nehmen wird. Ein Punkt, der massive Spaltungsprobleme für die EU bereithält, da einige Länder zu hundert Prozent hinter der Ukraine stünden, während andere lieber heute als morgen ein Ende des Krieges in der Ukraine wollen, so Lehne.

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