Star-Virologe Drosten würde aus heutiger Sicht einen Lockdown für Ungeimpfte nicht mehr empfehlen.
Der deutsche Star-Virologe Christian Drosten war am Dienstagabend in der ZiB 2 zu Gast. Dort stellte er sich den Fragen Armin Wolfs und zog nach fünf Jahren Corona eine Bilanz.
Heute sei die Sterblichkeit bei einer Coronaerkrankung mit der der Influenza zu vergleichen, sagte Drosten. Während der Pandemie war die Sterblichkeit allerdings 16 bis 20 Mal höher als bei der Grippe. Das Ziel, dieses Verhältnis zu verringern, sei also durchaus gelungen, auch wenn die Herdenimmunität noch nicht ganz erreicht sei.
Welche Maßnahmen dazu beigetragen hätten und welche nicht, sei schwer zu sagen. Die Studien dazu seien sehr unterschiedlich und würden vielfältige Ansätze verfolgen, die manchmal gut, manchmal weniger gut erkundet wurden. Drosten lägen jedoch keine Belege vor, dass die gesetzten Maßnahmen nicht gewirkt hätten.
Masken, Händewaschen und andere Maßnahmen
Auch könne Drosten nicht sagen, dass Maskentragen in der Pandemie geschadet hätte. Er meinte, die Evidenzsynthese der British Royal Society – mit sehr intensiver Literaturauswertung – hätte eindeutig nachgewiesen, dass Masken eine positive Wirkung hatten – “besonders dann, wenn eine Pflicht auferlegt wurde”. Die verpflichtende Maßnahme des Tragens von hochwertigen FFP2-Masken hätte laut dem Virologen die beste Wirkung gezeigt.
Für stetiges Händewaschen gäbe es hingegen keine gute Evidenz. Auch häufiges Lüften hätte Drosten nach keine Auswirkungen auf die Übertragungsrate gehabt, worüber er sich selbst ein bisschen wundere. Dass Spiel- und Sportplätze im Freien gesperrt wurden, obwohl draußen die Übertragungseffektivität 20 Mal geringer als herinnen ist, findet er aus heutiger Sicht übertrieben. Hier hätte die “Politik nicht so streng sein müssen”, so Drosten.
Angesprochen auf das massenhafte Testen meinte der deutsche Virologe, dass es Hinweise in der Literatur gebe, “die sagen, dass auch ungezielte Massentestungen einen Effekt auf die Verringerung der Neuinfektionen hatten. Diese damals sogenannten Gurgeltestlösungen an den österreichischen Schulen, die waren sicher sehr effizient. Dafür gibt es auch gute Belege, dass das die Krankheitsübertragung im Schulbetrieb gesenkt hat.”
Impfung war effektivste Maßnahme
Drosten erklärte, dass die Impfung allgemein “eine der effektivsten Maßnahmen, die wir in der Medizin kennen, um Menschenleben zu retten. Hier war es natürlich wirklich eine Rettung. Wir hätten eine sehr schwierige Situation erlebt, nicht nur für das Zusammenleben, sondern auch für die Wirtschaft, wenn diese Impfung nicht so schnell dagewesen wäre”.
Dass die Impfung nichts gebracht habe, sei “falsch – mehr gibt es dazu nicht zu sagen. Die Impfung war sehr effektiv.” Im Nachhinein habe sich zwar herausgestellt, dass der Übertragungsschutz schwächer war, als man ursprünglich dachte. Allerdings: “Zu der Zeit, als es wirklich darauf ankam, im Herbst 2021, da war der Übertragungsschutz eigentlich noch ganz gut. Auch das wissen wir im Nachhinein. Die Dinge sind eben nicht so Schwarz und Weiß, wie sie diskutiert werden.”
Bei der Omikron-Variante habe sich das Ganze jedoch anders verhalten, da sie trotz Impfung übertragbar war. Die Impfung habe hier also nicht geschützt, woraus Drosten schlussfolgerte: Aus heutiger Sicht sei ein Lockdown für Ungeimpfte nicht mehr zu begründen. Dies habe man damals jedoch nicht wissen können.