NEOS, ÖVP und Grüne buhlen um Gunst der SPÖ – Größte Herausforderung für SPÖ ist Mobilisierung
Dass die SPÖ bei der Wien-Wahl in der rot dominierten Bundeshauptstadt mit großem Abstand den ersten Platz halten wird und Michael Ludwig Bürgermeister bleibt, gilt als fix. Spannender als die Reihenfolge der Parteien wird daher laut Experten der Dreikampf zwischen NEOS, ÖVP und Grünen um den Platz als Juniorpartner in der Stadtregierung. Die besten Karten haben dabei aktuell die NEOS, die schlechtesten die Grünen, bei der ÖVP könnte ein Wechsel an der Spitze helfen.
Sollten die Kleinparteien den Einzug in den Gemeinderat verpassen, stehen die Chancen gut, dass sich für die SPÖ mit allen dreien rechnerisch eine Mandatsmehrheit ausgeht, meint der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier gegenüber der APA. Die SPÖ müsse dafür um die 40 Prozent der Stimmen erreichen (2020: 41,62), auch ein Ergebnis knapp darunter würde wohl reichen. Die Frage, wer den dritten Platz erobert, sei dabei „eher symbolisch wichtig“. Denn schließlich gehe es darum, wer künftig roter Koalitionspartner wird. Für die Parteien kann dies durchaus ein strategisches Dilemma im Wahlkampf darstellen. Etwa helfe den Grünen das Thema Lobau-Tunnel im Wahlkampf, bei der Koalitionsbildung sei es ein Hindernis, so Filzmaier.
FPÖ dürfte Potenzial nicht voll ausschöpfen
Der FPÖ werden deutliche Zugewinne prognostiziert – auch weil sie nach der letzten Wahl mit 7,11 Prozent „aus dem politischen Nirwana“ kommt, so der Politikberater Thomas Hofer. Auch mit einer durchaus realistischen Verdreifachung des Stimmenanteils würden die Blauen unter Dominik Nepp aber weit unter dem 2015 von Heinz-Christian Strache ausgeschöpften Potenzial von mehr als 30 Prozent bleiben, so Hofer. Da Ludwig eine Koalition mit den Freiheitlichen ausschließt, wird es keinen politischen Machtgewinn geben, was die Mobilisierung erschwere, sagt Filzmaier. Anders als vor zehn Jahren sei es diesmal wegen des großen Abstands zur SPÖ auch nicht möglich, ein Rennen um Platz eins zu inszenieren.
Aus demselben Grund liegt auch für die SPÖ die größte Herausforderung in der Mobilisierung, sind sich die Experten einig. Spekuliert hatte der Bürgermeister daher beim Vorziehen des Wahltermins auf den „Reibebaum“ einer blau-schwarzen Regierung auf Bundesebene. Trotz des Scheiterns der FPÖ-ÖVP-Koalitionsverhandlungen kommt der frühere Wahltermin Ludwig zupass, weil die Effekte der Budgetkonsolidierung im Herbst wohl stärker spürbar werden. Auch einer möglichen Klimadebatte, die den Grünen in die Hände spielen würde, geht die SPÖ mit der Wahl vor dem Sommer aus dem Weg, so Hofer.
NEOS in der Poleposition
In Bezug auf die Koalitionsbildung sehen die Experten die NEOS in der Poleposition, sollte es erneut für eine Mandatsmehrheit mit der SPÖ reichen. Der Wahlkampf sei für die Pinken wegen des kurzfristigen Wechsels von Spitzenkandidat Christoph Wiederkehr in die Bundesregierung schwierig. Wegen der Unbekanntheit der eingesprungenen Spitzenkandidatin müsse man auf die Parteimarke vertrauen, so Filzmaier. Angesichts des überschaubaren Ergebnisses bei der letzten Wahl (7,47) kann man aber auf Zugewinne hoffen.
Die ÖVP verhalte sich im Wahlkampf angesichts der erwarteten Verluste „irgendwo zwischen Schadensbegrenzung und Augen-zu-und-durch“, so Filzmaier. Um als Koalitionspartner infrage zu kommen, müsste sich aber personell an der Spitze was tun nach der Wahl, meinen beide Experten. Denn das Risiko wäre für Ludwig zu groß, sich den in der Causa Wienwert wegen Untreue angeklagten ÖVP-Chef Karl Mahrer als Partner in die Regierung zu holen. Bei den Grünen wirke nach wie vor die rot-grüne Regierungszeit Ludwigs mit der damaligen Grünen-Vizebürgermeisterin Birgit Hebein nach. Die Ablehnung des Lobau-Tunnels sei ein weiteres Hindernis für die Zusammenarbeit mit der SPÖ.
KPÖ „sollte man nicht unterschätzen“
Sollte es die KPÖ schaffen, in den Gemeinderat einzuziehen, würde dies die Koalitionsmöglichkeiten erschweren. Unangenehm wäre für die Roten auch eine pointiert linke Opposition im Rathaus, so Hofer. Auch wenn die Wiener Kommunisten nicht so gut aufgestellt seien wie in Salzburg oder Graz, „sollte man sie nicht unterschätzen“, meint der Politikberater. Allerdings sei die Fünf-Prozent-Hürde eine sehr hohe Einstiegsklausel.
Eine gute Nachricht für die Sozialdemokraten sei dagegen, dass die Bierpartei nicht kandidiert. Hätte Parteigründer Dominik Wlazny die Finger von der Nationalratswahl gelassen, wo er sich „ruiniert“ habe, hätte er laut Hofer durchaus Chancen bei der Wien-Wahl gehabt. Der Liste von Ex-FPÖ-Chef Heinz Christian Strache räumen beide Experten dagegen kaum Chancen ein.