Der Akt, den Nationalratspräsident Walter Rosenkranz von der FPÖ zunächst liegen ließ, enthält schwere Vorwürfe gegen drei Parteifreunde. Die weisen alles zurück.
FPÖ-Nationalratspräsident Walter Rosenkranz ließ den brisanten Akt zwar liegen – doch am kommenden Mittwoch wird der parlamentarische Immunitätsausschuss (neben der Auslieferung von Klubchef Herbert Kickl wegen möglicher Falschaussage im U-Ausschuss) auch die Fälle Harald Stefan, Norbert Nemeth und Martin Graf beraten. Harald Stefan war Wiener Spitzenkandidat der FPÖ bei der Nationalratswahl. Für alle gilt die Unschuldsvermutung.
Das sind die Vorwürfe
Die Staatsanwaltschaft Wien will laut dem Auslieferungsbegehren, das oe24 vorliegt, gegen die drei FPÖler wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung ermitteln. Der Eklat hatte sich am 27. September – zwei Tage vor der Nationalratswahl – ereignet. Beim Begräbnis eines „alten Herrn“ der Burschenschaft Olympia wurde das Lied „Wenn alle untreu werden“ gesungen. Anwesend waren eben die drei FPÖ-ler, ob sie selbst mitgesungen haben, muss noch eruiert werden.
Die Staatsanwaltschaft Wien schreibt jedenfalls: „Dr. Martin GRAF, Mag. Harald STEFAN und Mag. Norbert NEMETH stehen daher im Verdacht, dadurch das Verbrechen der nationalsozialistischen Wiederbetätigung nach § 3g Abs. 1 und Abs. 2 VerbotsG begangen zu haben.”
Staatsanwalt: Es ist ein SS-Lied
Das Lied habe laut StA einen „deutsch-völkisch antisemitischen Entstehungskontext“. Es sei dann als „Treue-Lied von der Waffen-SS“ verwendet worden. „Im SS-Liederbuch wurde es nach dem Deutschlandlied und dem Horst-Wessel-Lied exponiert an dritter Stelle angeführt“, schreibt der Staatsanwalt. Der Verstorbene habe sich das Absingen des Liedes ausdrücklich gewünscht, man „lasse es sich nicht nehmen, Lieder wie die SS-Hymne ,wenn alle untreu werden‘ auch heute noch zu singen“, es sei also davon auszugehen, dass „die historische Bedeutung des Liedes (…) den Beschuldigten bewusst war“, schreibt die StA Wien.
Bis zu 10 Jahre Haft?
Das Strafmaß ist gesalzen, es beträgt zwischen sechs Monaten und fünf Jahren Haft. Die Staatsanwaltschaft weist aber darauf hin, dass „die Tathandlung auf eine Weise begangen wurde, dass sie vielen Menschen zugänglich war.“ In diesem Fall steigt das Strafmaß sogar auf 10 Jahre Haft.
FPÖ-Mandatare weisen Vorwürfe zurück
Die drei FPÖ-Abgeordneten wiesen unmittelbar nach Bekanntwerden der Affäre „jegliche Unterstellung einer nationalsozialistischen Gesinnung entschieden und auf das Schärfste zurück”: Das Lied “Wenn alle untreu werden” sei in der 1814 getexteten Form gesungen worden, die auch bei anderen Verbindungen verbreitet. Und weiter: „Im Gegensatz zu der ,von der SS missbrauchten Version‘ beinhalte das bei dem Begräbnis gesungene nicht drei, sondern vier Strophen, die allesamt gesungen worden waren. Die Behauptung, man habe nicht die Version von Max von Schenkendorf gesungen beziehungsweise die gesungene Version sei eine (bewusst) von der SS abgewandelte Version, ist eine ebenso infame wie falsche Behauptung.”
Aktuelle Stellungnahme der FPÖ
Am Freitag gab der FPÖ-Klub zudem diese Stellungnahme ab: „Die drei FPÖ-Nationalratsabgeordneten haben keinen Verstoß gegen das Verbotsgesetz begangen, weshalb sie eine mögliche Auslieferung gelassen zur Kenntnis nehmen. Inhaltlich: Es wurde bei diesem Begräbnis – entgegen der Behauptung mancher Medien – jene Version des Liedes gesungen, die seit dem 19. Jahrhundert als Volkslied in Studentenverbindungen (sowohl schlagend als auch katholisch) weit verbreitet ist. Und auch in der Popularmusik wird dieses Lied gesungen, beispielsweise vom deutschen Künstler Heino.“
Klar ist aber auch: Die Staatsanwaltschaft wird ermitteln – wie oe24 erfuhr, werden ÖVP, SPÖ, Neos und Grüne für die Auslieferung stimmen.