Mit den Parallel-Riesentorläufen geht für Snowboarder, Freestyler und Freeskier die WM in St. Moritz am Donnerstag richtig los.
Auf dem Programm steht zunächst der olympische Parallel-Riesentorlauf (Donnerstag, 9.00/13.00 Uhr/live ORF 1). Samstag und Sonntag folgen die Parallel-Slalombewerbe (Einzel bzw. Mixed). Für den ÖSV sind diese Bewerbe traditionell eine Medaillenbank, doch zum Abholen gibt es diese im Engadin freilich auch nicht.
Sabine Payer zum Beispiel zählt zu den heißesten Goldanwärterinnen. Die Kärntnerin, die unter ihrem Mädchennamen Schöffmann 2023 Bronze erobert hatte, gewann Mitte März die Generalprobe in Winterberg und meint: “Es war echt gut, dass ich noch einmal Selbstvertrauen gesammelt habe.” Nach Silber (Mixed) und Bronze (Parallel-Slalom) in Bakuriani 2023 fehlt der 32-Jährigen nur noch Gold: “Natürlich wäre es cool, ganz oben zu stehen, aber da werden andere Mädels was mitzureden haben. Wir haben eine Ester Ledecka da, die ist im Riesentorlauf natürlich auch eine Macht. Sie ist den Speed gewohnt.”
WM-Rekordler Benjamin Karl “energetisch aufgeladen”
Mit Ledecka hat auch der erfolgreichste männliche WM-Alpinboarder seine Erfahrungen gemacht: Benjamin Karl, seines Zeichens fünffacher Weltmeister (plus zwei Mal Silber, ein Mal Bronze), hat zuletzt drei Tage intensives Training hinter sich. “Die drei Tage waren noch einmal sehr wertvoll. Ich habe mit Ester Ledecka mittrainieren dürfen und ich habe jetzt schon Gänsehaut. Ich freue mich, dass ich in St. Moritz bin – eine saugeile Gegend”, sagte der 39-jährige Niederösterreicher. Im Vorjahr hatte er die als Europacup ausgetragene WM-Generalprobe auf der Strecke gewonnen. “Ich habe mir die Videos vom letzten Jahr angeschaut und ich bin wirklich brutal stark gefahren. Wenn ich das auf dem Niveau so wiederholen kann, dann kann ich wieder ganz vorne dabei sein”, hofft Karl. Auch die zwischendurch etwas abhandengekommene Motivation ist wieder da. “Vorbereitet zu sein ist eine Geschichte, aber energetisch aufgeladen zu sein, was mir extrem wichtig ist und mir nicht immer gelingt, eine andere.” Im Training in Livigno habe er “sehr viele Glücksgefühle” mitnehmen können.
Bei Karl waren die Weltcup-Resultate nicht so beeindruckend (nur ein dritter Platz), doch der Olympiasieger blüht bei Großereignissen immer wieder auf. Dies gelang auch Andreas Prommegger, wovon drei Mal WM-Gold und zwei Mal -Silber zeugen. Herausragend war 2017, als er sich ähnlich spät in der Saison in der Sierra Nevada zum Doppel-Weltmeister gekürt hatte. “Daran erinnere ich mich natürlich wahnsinnig gerne zurück. Ich habe ewig bei Großereignissen warten müssen, bis es endlich hingehaut hat”, sagte der 44-Jährige, dessen Frau und zwei Kinder mit ihm vor Ort die Daumen drücken. “Ich bin in einer Superform. Grundsätzlich habe ich im Riesentorlauf die besseren Ergebnisse gezeigt, aber ich freue mich auf beide Disziplinen. Wenn alles zusammenpasst, kann ich ein Wörtchen mitreden.” Der Salzburger ist zudem im Parallel-Slalom auch Titelverteidiger.
Als Außenseiter greifen die 51-Jährige Claudia Riegler, Martina Ankele und Debütantin Miriam Weis im Riesentorlauf an. Payers Ehemann Alexander und Fabian Obmann ergänzen das Herren-Team.
Anna Gasser mit “spezieller” Motivation in Slopestyle-Quali
Für Österreichs Akrobatik-Asse im Snowboard wird es ebenfalls ab Donnerstag ernst. Dann starten Anna Gasser, Hanna Karrer und Clemens Millauer in die Slopestyle-Qualifikation. Gasser würde ihrer beeindruckenden Karriere gerne noch Slopestyle-Edelmetall hinzufügen, ihre eigentliche Motivation ist aber eine andere. “Ich glaube, dass ich mich als noch bessere Snowboarderin präsentieren kann.”
Die 33-jährige Kärntnerin ist in ihrer Paradedisziplin Big Air je zweifache Olympiasiegerin und Weltmeisterin und in St. Moritz amtierende Titelverteidigerin. Slopestyle sieht sie aber fast als die größere Herausforderung an. “Da ist es noch mehr so, dass alles zusammenpassen muss. Man braucht den sogenannten Flow durch den Kurs, man darf sich wirklich keinen Fehler erlauben von oben bis unten. Deshalb finde ich, dass eine Slopestyle-Medaille für mich persönlich ein bisschen mehr Wert hat. Das wäre tatsächlich ein größerer Traum bei dieser WM als die Big-Air-Medaille.”
Unglücklich mit Olympia-Gold-Sprung
Neben dem Erfolg treibt Gasser aber vor allem die Suche und Umsetzung des perfekten Laufs an. “Ich glaube, dass ich für mich selber einen besseren Sprung oder besseren Run zeigen kann. Man hat so Traumläufe im Kopf, die man bis jetzt noch nicht zeigen hat können.” Da gehe es nicht um Ergebnisse. “Das klingt jetzt ein bisschen verrückt: Ich war sehr unglücklich mit meinem Sprung bei Olympia. Dass ich Olympia gewonnen habe, war ein Wahnsinn. Aber ich war mit der Ausführung dieses Sprungs (Cab Double Cork 1260) für mich selber nicht zufrieden. Da ist noch einmal der Ansporn gekommen, ihn neu zu lernen.”
Es sei im Freestylesport “vielleicht eine Eigenheit, dass es nicht immer um eine Zeit geht, die man brechen muss, sondern auch um sein eigenes Limit und den Style”. Laut Gasser ist ihr heuer erstmals gezeigter Sprung “Cab Triple Cork 1260 mit Drunk-Driver-Grab” ähnlich schwierig wie jener bei Olympia. “Er ist nur von der Ausführung her schöner. Das war mir so wichtig, dass ich diesen Trick schön lerne mit einer Achse und einem Style, auf den ich stolz bin.”
Das Bild vom Gold-Sprung in Peking verfolge sie hingegen heute noch. “Für mich gibt es nichts Schlimmeres, als das Foto zu sehen von Olympia, komplett gestreckt über Kopf ohne Grab. Das ist einfach beim Snowboarden ein No-Go!”, erklärte die Millstätterin. “Ich war nie 100-prozentig glücklich mit dem Sprung. Allein, dass ich das geschafft habe heuer, ihn neu zu lernen, sodass er mir gefällt und dass ich selber drauf stolz bin, war meine Motivation.”
In die Schweiz ist Gasser dennoch mit dem Medaillenziel gekommen. “Ich will da gut fahren und meine Leistung abrufen und zeigen, was ich kann.” Allerdings ist die WM nur eine Zwischenstation zum wohl letzten, großen Karriere-Highlight. “Olympia nächstes Jahr hat noch mal einen anderen Stellenwert für mich von der Wertigkeit her.”
Trotz einer krankheitsbedingten Wettkampfpause im Februar sieht sich Gasser für die WM gut gerüstet. “Ich bin die letzten vier Wochen sehr viel am Snowboard gestanden und habe sehr gut trainieren können.” Beim Big Air nächste Woche könnte der ÖSV-Star das eine oder andere neue Element präsentieren, diese Woche sind aber andere Qualitäten gefragt. “Slopestyle ist so viel strategischer, wie man den Run zusammenbaut. Wenn ich da mit meinen altbewährten Tricks einen sauberen Run hinkriege, dann brauche ich vielleicht nicht die höchste Schwierigkeit auf einem Kicker.”
Gassers Lebensgefährte Clemens Millauer hofft derweil auf dem langen, selektiven Kurs auf eine fehlerlose Qualifikation. “Sobald ein kleiner Patzer passiert, bist du weg. Da muss man ein bisschen taktieren, dass man nicht den allerschwersten Run zeigt, aber doch schwer genug. Ich hoffe einfach, dass ich einen guten Tag habe, mit dem richtigen Fuß aufstehe und was landen kann.”
Freeski: Lara Wolf als Vierte im Slopestyle-Finale
Bei der Freeski-WM zog Lara Wolf als Vierte ins Finale ein. Die Tirolerin, die am Sonntag ihren 25. Geburtstag feiert, qualifizierte sich mit 69,28 Punkten souverän für den Kampf um die Medaillen am Samstag (10.00 Uhr). Quali-Beste war die Italienerin Flora Tabanelli (77,43 P.).
“Ich bin voll happy. Ich habe das gemacht, was ich kann, das ist mir aufgegangen. Ich kann es gar nicht glauben, dass ich im Finale bin,” so Wolf. Dass sie nun sogar in Schlagdistanz zu den Medaillen ist, sei eine Bestätigung für sie: “Es bedeutet, dass ich da richtig bin, und die richtige Entscheidung getroffen habe, dass ich zurückkomme.” Wolf war im Oktober 2023 zurückgetreten und hatte im Jänner dieses Jahres am Kreischberg ihr Weltcup-Comeback gefeiert.
Bei den Herren stürzte Lukas Müllauer im Training, wobei sein Helm zu Bruch ging. Der Salzburger klagte danach über Kopfschmerzen und verzichtete aus Sicherheitsgründen auf ein Antreten.