Sofia Gubaidulina ist tot. Die Grande Dame unter den lebenden Komponistinnen dieser Welt verstarb, wie erst jetzt bekannt wurde, am 13. März im Alter von 93 Jahren nahe Hamburg 

Dies teilte ihr Verlag Boosey & Hawkes am Donnerstag mit. Damit verabschiedet sich eine der großen Tonsetzerinnen der Gegenwart für immer von der Klassikbühne, auf denen sie gerade in den vergangenen Jahren große Erfolge feierte.

Die fliegende Einsiedlerin

Solisten wie Gidon Kremer, Mstislaw Rostropowitsch oder Anne-Sophie Mutter haben ihre Werke aufgeführt, Pultstars wie Kurt Masur, Christian Thielemann oder Simon Rattle dirigiert. Letzterer titulierte sie einmal als “fliegenden Einsiedler”: “Ab und zu kommt sie zu uns auf die Erde und bringt uns Licht und geht dann wieder auf ihre Umlaufbahn.”

Klangfarben und Intervall-Konstellationen, Tonhöhen und Artikulationsarten bilden die Basis ihrer Werke, bisweilen sind rhythmische Prozesse prägend und das Verhältnis der Themen und Motive zueinander. Die oft als “Mystikerin der Musik” titulierte Künstlerin, wollte stets Klang und Seele miteinander verbinden und verspürte bereits als Kind den Drang zum Komponieren. “Das wichtigste Ziel eines Kunstwerkes ist meiner Ansicht nach die Verwandlung der Zeit”, sagte sie einmal.

Religion Quelle ihres Schaffens

Religion war der russisch-orthodoxen Christin existenziell wichtig und prägte ihr ganzes Musikschaffen – nicht nur ihre religiösen Werke wie “Stunde der Seele”, “De profundis”, oder “Sieben Worte”. Herausragend ihre “Johannes”-Passion: Die Auftragskomposition für die Internationale Bachakademie Stuttgart wurde zum 250. Geburtstag von Johann Sebastian Bach 2000 uraufgeführt. Sie hat den Leidensweg Jesu gigantisch vertont – für Orchester, zwei Chöre und Solisten. Später folgte “Johannes-Ostern”, denn die Leiden Jesu ergeben für Gubaidulina ohne die Auferstehung keinen Sinn.

Im Leben Gubaidulinas spiegelte sich das 20. Jahrhundert seit der Stalinzeit, der Kalte Krieg, Gorbatschows Perestroika und der Zusammenbruch der Sowjetunion. Die Komponistin kam am 24. Oktober 1931 in Tschistopol an der Wolga in der tatarischen Republik zur Welt, studierte in Kasan und Moskau Musik und arbeitete seit 1963 als freie Komponistin. Als kulturelle Wurzeln nannte sie die Prägung durch jüdische Lehrer, die frühe Begegnung mit der deutschen Kultur und ihre russisch-tatarische Herkunft. Ihr Geld musste sich Gubaidulina lange mit dem Schreiben von Filmmusik verdienen, ihre Werke wurden in der Sowjetunion mit Skepsis betrachtet und kaum aufgeführt.

Durchbruch im Westen 1981

1975 gründete die Musikerin in ihrer Heimat mit Viktor Suslin und Vyacheslav Artyomov die Improvisationsgruppe “Astreja”, die sie später in Deutschland gemeinsam mit Suslin erneut ins Leben rief. Nach einem Auftritt 1977 wurde dem Ensemble vom Sowjetstaat vorgehalten, die Musik sei “Kakophonie und eine Krankheit”. Der Durchbruch im Westen, wo ihre Werke bereits seit den 60er Jahren aufgeführt wurden, gelang Gubaidulina 1981 mit der Uraufführung ihres Gidon Kremer zugedachten Violinkonzerts “Offertorium”. Seit 1992 lebte Sofia Gubaidulina nahe Hamburg. Und nicht zuletzt war Gubaidulina auch in Österreich stark präsent. Die Salzburger Festspielen, das Neue-Musik-Festival Wien Modern, die Wiener Festwochen oder die Osterfestspiele Salzburg brachten verlässlich Werke der Komponistin zur Aufführung.

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