Der Leiter der Direktion Verteidigungspolitik und Internationale Beziehungen im Verteidigungsministerium, Brigadier Roland Vartok, hat bei einer Diskussion des Austria Institut für Europa und Sicherheitspolitik (AIES) am Montagabend in Wien drastische Worte gefunden. 

 Angesichts der hybriden Kriegsführung Russlands, konstatierte er: “Wir befinden uns bereits im Kriegszustand.” Russlands Präsident Wladimir Putin wolle den westlichen Einfluss, wo immer möglich verringern.

So sei dies Putin etwa in der Sahelzone gelungen, wo alle westlichen Staaten “hochkant aus der Region” geflogen seien. Außerdem sei der russische Präsident stark daran interessiert, den westlichen Zusammenhalt zu untergraben, am besten gelinge das aufgrund des Einstimmigkeitsprinzips bei außenpolitischen Fragen in der Europäischen Union durch russlandfreundliche Regierungen in EU-Staaten.

Im russischen Staatsfernsehen gebe es ständig Drohungen mit russischen Atomangriffen auf europäische Städte, damit solle Druck auf die Bevölkerung in Europa erhöht werden, sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine auszusprechen. Zudem befeuere Russland gezielt die Migration nach Europa, indem Migranten gezielt an die Grenze von Belarus und Polen gebracht würden, so Vartok. Putin kümmere sich auch nicht um die hohen Verluste, vielmehr würden desertierende russische Soldaten gezielt getötet.

Durch die von Putin angeordnete gezielte Zerstörung der Energieinfrastruktur in der Ukraine sollten zwar auch die ukrainischen Luftabwehraktivitäten geschwächt werden, die Absicht Russlands sei aber klar, dass ukrainische Städte unbewohnbar gemacht werden, Flüchtlingswellen ausgelöst und der Wehrwille der Ukraine gebrochen werden soll, so Vartok. “Putin hat strategische Geduld und hält uns Europäer für schwach”, konstatiert der Bundesheer-Brigadier daher. Zwar seien die Ukrainer kriegsmüde, sie wüssten aber, “dass ihnen keine Option offenbleibt, außer zu kämpfen.”

Frieden derzeit kaum absehbar

Ein Frieden sei derzeit kaum absehbar so Vartok, denn Putin sei derzeit nicht an einem Waffenstillstand interessiert. Verhandlungen ohne die Ukraine liefen außerdem auf einen Diktatfrieden hinaus, den Putin nur als Atempause nützen würde, um in sechs Monaten wieder anzugreifen. Zudem könne man davon ausgehen, dass bei Wahlen in der Ukraine, die bei einem Waffenstillstand wohl durchgeführt werden müssten, Russland versuchen würde mittels hybrider Kriegsführung diese zu beeinflussen.

Derzeit befinde man sich in einer Situation, “wo das Recht des Stärkeren die Politik bestimmt”, so Vartok. Europa sei offenbar zu schwach und müsse massive Anstrengungen in den kommenden Jahren unternehmen, um verteidigungsfähig zu werden, denn das Paket von 800 Milliarden Euro werde dazu bei weitem nicht reichen. Auch für Sicherheitsgarantien fehlten die Soldaten, denn hierfür seien rund 300.000 Soldaten notwendig, um eine Rotation aufrechterhalten zu können. Hiervon sei man weit entfernt.

Keine Garantie, dass Russland nicht mehr angreifen wird

Der ehemalige Ukraine-Sondergesandte der OSZE, Martin Sajdik, erklärte indes seine Rolle bei den Verhandlungen des Minsk-Abkommens, für die er seitens der OSZE verantwortlich war. Angesichts dessen betonte er, dass er derzeit im Ukraine-Krieg nur die Möglichkeit sähe, dass es unilaterale Erklärungen geben könne, die dann vom Sicherheitsrat etwa unterstützt würden.

Sollte man sich auf die derzeitige rund 2.500 Kilometer lange Frontlinie als Waffenstillstandslinie festlegen, nehme man die künftige Grenze praktisch vorweg. Zudem stellten sich zahlreiche Fragen, wie der Entminung, der Truppenentflechtung und der Übernahme der Kosten, so Sajdik. Er selbst habe “auf die vielen Fragen auch keine Antwort”, so der langjährige österreichische Botschafter.

Jedenfalls sei die Ukraine aufgrund der vielen gebrochenen Verträge ein “gebranntes Kind”. So sei der Ukraine beim Budapester Memorandum 1994 die Unverletzbarkeit seiner Grenzen zugesichert worden, wenn es im Gegenzug alle Atomwaffen an Russland übergebe. Insofern könne es keine hundertprozentige Garantie geben, dass Russland das Nachbarland nicht mehr angreifen werde.

Denn klar sei auch, “mit unserem offenen System in Europa sind wir eine Bedrohung für autoritäre Systeme wie Russland oder China”. Eine demokratische Ukraine an der Grenze zu Russland sei eine Bedrohung für das Regime in Moskau, denn so würden die Russen sehen, dass es auch anders gehen könnte.

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