Ihr Gehirn isst sich selbst – beim Marathon! Neue Forschung zeigt: Während eines Marathons greift das Gehirn zur Notlösung und verwertet Teile seiner eigenen Isolierung als Energiequelle. Was das für Ihre Gesundheit bedeutet, lesen Sie hier.
Letztes Wochenende fand der Vienna City Marathon statt – ein Fest für Laufbegeisterte, Gänsehaut-Stimmung an der Strecke und jede Menge stolze Finisher:innen mit Medaille um den Hals. Wer schon mal die 42,195 Kilometer gelaufen ist, weiß: Ein Marathon ist nicht nur eine Frage der Muskeln – sondern vor allem ein mentaler Kraftakt.
Doch jetzt zeigt eine neue Studie: Unser Gehirn macht dabei noch viel mehr, als uns nur durchzubeißen. Es greift zur Notlösung – und beginnt im wahrsten Sinne des Wortes, sich selbst zu essen.
Laut Studie: Nach Marathon läuft Gehirn auf Sparflamme
Klingt verrückt? Ist es auch ein bisschen. Aber die Wissenschaft hat’s belegt. Ein spanisches Forschungsteam hat zehn Marathonläufer:innen vor und nach einem 42-Kilometer-Lauf ins MRT geschoben – und die Veränderungen im Gehirn untersucht. Das Ergebnis: Nach dem Lauf war bei allen ein Rückgang von Myelin feststellbar.
Myelin ist so etwas wie die Isolierung unserer Nervenleitungen – ähnlich wie der Kunststoffmantel um ein Stromkabel. Es sorgt dafür, dass Signale im Gehirn blitzschnell von A nach B kommen. Ohne Myelin läuft im Oberstübchen so gut wie nix: Bewegung, Reaktion, Denken – alles wird langsamer oder durcheinander.
Notfallplan: Gehirn isst sich selbst
Beim Marathon verbraucht der Körper zuerst seine Kohlenhydratspeicher. Sind die leer, wird Fett verbrannt. Und wenn selbst das zur Neige geht? Dann schaut sich der Körper um – und greift offenbar auch auf die Fettbestandteile im Gehirn zurück. Genauer: aufs Myelin.
Der Körper nutzt also im absoluten Energiemangel seine eigene Nervenisolierung als Notstromquelle. Dass das kein Dauerzustand sein kann, versteht sich von selbst. Aber keine Sorge: Das Ganze ist laut Studie reversibel. Innerhalb von zwei Monaten nach dem Lauf hatten sich die Myelin-Werte bei den Teilnehmer:innen wieder normalisiert.
Was bedeutet das?
Zunächst einmal: keine Panik! Niemand muss wegen dieser Studie die Laufschuhe an den Nagel hängen. Im Gegenteil: Regelmäßiges Training ist gut fürs Gehirn – aber, wie so oft im Leben, kommt es auf die Dosis an. Die Forschenden betonen, dass noch nicht klar ist, ob der temporäre Myelinverlust nach dem Marathon auch Auswirkungen auf Denkvermögen oder Koordination hatte. Dafür braucht es weitere Studien – idealerweise mit mehr Teilnehmenden.
Lichtblick für die Forschung von MS & ALS
Spannend wird’s beim Blick auf mögliche medizinische Folgen. Bei Krankheiten wie Multipler Sklerose (MS) oder ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) spielt geschädigtes oder abgebautes Myelin eine zentrale Rolle. Forscher:innen hoffen nun, durch das Verständnis des „Myelin-Notprogramms“ im Marathon Rückschlüsse auf Therapien ziehen zu können. Denn das Gehirn der Läufer hat sich innerhalb kurzer Zeit regeneriert – und genau das könnte auch für Patient:innen mit Myelin-Erkrankungen eine neue Hoffnung sein.
Allerdings: Bei Menschen mit einer genetischen Veranlagung für ALS könnte extremes Ausdauertraining ein zusätzlicher Risikofaktor sein. Noch ist das nicht belegt – aber es zeigt einmal mehr, dass Sport in Maßen und mit Blick auf den eigenen Körper das Beste ist, was man tun kann.