In Tulln entscheidet keine Behörde und kein Gericht, sondern die Menschen selbst. Zwei Stadtviertel stehen vor einer wegweisenden Abstimmung über das Tempolimit vor ihren eigenen Haustüren.
In Tulln wird es ernst. Die Bewohnerinnen und Bewohner des Komponistenviertels und des Langenlebarner Viertels dürfen mitbestimmen, wie schnell in ihren Straßen künftig gefahren wird. Die Abstimmung findet an zwei Sonntagen statt, am 22. und am 29. Juni. Wer dort seinen Hauptwohnsitz hat, kann sich einbringen und das Tempo vor der eigenen Haustür mitbestimmen.
Rund 570 Menschen im Komponistenviertel und etwa 950 im Langenlebarner Viertel haben das Wahlrecht. Voraussetzung ist ein vollendetes 16. Lebensjahr bis zum Stichtag am 29. Juni. Gewählt wird jeweils zwischen 8 und 12 Uhr. Die Wahllokale befinden sich im Kindergarten VIII in der Konrad-Lorenz-Straße und im Kindergarten VI in der Hafenstraße.
Bürger geben das Tempo vor
Jede wahlberechtigte Person kann zwei Stimmen abgeben. Gefragt wird nach der bevorzugten Geschwindigkeit und nach einer zweiten Wahl. Zur Auswahl stehen drei Varianten. Tempo 30, Tempo 40 oder Tempo 50. Damit haben die Menschen vor Ort das Wort. Sie entscheiden, was ihnen wichtiger ist. Ruhe und Sicherheit oder freie Fahrt mit mehr Tempo.
Bürgermeister Peter Eisenschenk (ÖVP) zeigt sich überzeugt vom Weg der Mitbestimmung. Er betont, wie wichtig es ihm sei, dass die Tullner Bevölkerung selbst festlegt, was direkt vor ihren Häusern geschieht. Die Stadt gibt damit Verantwortung ab und zeigt Vertrauen in die Entscheidungskraft ihrer Bürgerinnen und Bürger.
Pilotprojekte im Vorfeld
Die Befragung kommt nicht aus dem Nichts. Beide Viertel waren in den vergangenen Jahren Teil eines Pilotprojekts. Seit 2021 ist das Komponistenviertel durchgehend als Tempo-30-Zone beschildert. Im Langenlebarner Viertel wurde dieses Modell erst 2024 eingeführt. Doch wie wirksam war die Maßnahme wirklich?
Antworten liefert die sogenannte V85-Geschwindigkeit. Diese Kennzahl beschreibt die Geschwindigkeit, die von 85 Prozent aller gemessenen Fahrzeuge nicht überschritten wird. Im Komponistenviertel zeigte sich dabei wenig Veränderung. Dort bewegten sich die Fahrzeuge bereits vor der Maßnahme zwischen 30 und 37 Kilometern pro Stunde. Die Schilder bestätigten lediglich das bestehende Verhalten.
Anders sieht es im Langenlebarner Viertel aus. Vor allem in der Etzelgasse, wo der Verkehr besonders dicht ist, wurde früher schneller gefahren. Vor Beginn des Projekts lag die Geschwindigkeit dort bei 50 Kilometern pro Stunde. Während der Projektphase sank sie deutlich auf 43,5 Kilometer pro Stunde. Eine Entwicklung, die für viele als Argument für eine dauerhafte Temporeduktion gilt.


