Nach vier Jahren Babypause greift Anna Veith (35) wieder an: Als Testimonial für die Vorarlberger Ski-Marke Kästle, als Fitness-Botschafterin und vielleicht sogar wieder als Rennläuferin. oe24 hakte im persönlichen Gespräch nach.
oe24: Anna, wieso haben wir so lange nichts von Ihnen gehört?
ANNA VEITH: Für mich war es gar nicht so lang. Man hält ja nicht einfach so Pressekonferenzen ab. Wenn, dann sollte man schon was zu erzählen haben. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um meine Projekte zu besprechen und voranzutreiben.
oe24: Welche Rolle werden Sie in Zukunft einnehmen?
VEITH: Mehrere Rollen. Ich bin Testimonial für Kästle, Botschafterin und Beraterin. Da möchte ich auch was von meiner Freude am Skisport an Kinder weitergeben. Und im Jänner starte ich eine multimediale Plattform, die auf den Säulen Fitness, Ernährung und mentaler Gesundheit aufgebaut wird.
oe24: Was haben Sie im ersten Moment gedacht, als Sie von Hirschers Comeback gehört haben?
VEITH: Am Anfang hab ich es ehrlich gesagt nicht geglaubt. Dann fragt man sich: Was sind seine Beweggründe, warum macht er das?
oe24: Was glauben Sie?
VEITH: Marcel hat zu einem Zeitpunkt aufgehört, als er an der Spitze war. Danach hat er offenbar Zeit gebraucht, um gewisse Dinge zu verarbeiten. Wenn er jetzt das Gefühl hat, er möchte es noch einmal machen: Warum nicht? Wie man bei seinem Lächeln in Sölden im Ziel sehr gut gesehen hat, hat er selten so viel Freude am Skifahren gehabt wie jetzt.
oe24: Hirscher ist wie Sie erst 35 Jahre alt. Und das Comeback wurde ihm durch die Wildcard erleichtert. Jetzt haben auch Sie, wie man hört, begonnen, nachzudenken …
VEITH: Klar. Wenn man als ehemalige Rennläuferin ,Wildcard’ hört, dann fragt man sich, was sind die Voraussetzungen dafür? Und tatsächlich würde ich alle Bedingungen erfüllen. Dann stellt man sich die Frage: Welches Rennen würde ich mir aussuchen, um noch einmal zu fahren (lacht)?
oe24: Welches würden Sie sich tatsächlich aussuchen?
VEITH: Mein Lieblingsrennen war leider nicht sehr oft im Kalender: der Super-G in St. Anton. Da hat mir die Streckenführung unglaublich getaugt. Aber das wäre gleichzeitig das schwierigste Rennen, und es wär’ wahrscheinlich nicht gscheit, da mitzufahren.
oe24: Wie fit sind Sie zurzeit?
VEITH: Durchschnittlich. Vielleicht würde es für einen halben Lauf reichen …
oe24: Und wie lange bräuchten Sie, um wieder voll kompetitiv zu sein?
VEITH: Sicher über ein Jahr, also einen ganzen Winter und einen ganzen Sommer, wenn nicht sogar länger. Ich glaub, bei Marcel ist der Gedanke schneller gereift, weil er immer Skigefahren ist, immer trainiert hat und nie schwer verletzt war. Er wird schon gemerkt haben, dass er nicht so weit weg ist. Dabei wird von den meisten Leuten unterschätzt, welch körperlicher Einsatz nötig ist, um das Material zu rennmäßig zu derfahren.
oe24: Sie hatten bis zu Ihrem Rücktritt 2020 mit den Folgen eines Patellasehnenrisses zu kämpfen. Ist Ihr Knie jetzt wieder vollkommen gesund?
VEITH: Ich hab so gut regeneriert, dass ich bei meinem jetzigen sportlichen Leben alles schmerzfrei machen kann. Das Skifahren funktioniert auch gut. Allerdings hab ich auch einen Knorpelschaden bei der Kniescheibe. Bei mehreren Skitagen auf Rennlevel würde mir das vermutlich wieder Probleme bereiten.
oe24: Mit wie viel Training halten Sie sich derzeit fit?
VEITH: So viel ich als Unternehmerin mit zwei Kindern (Lotte/8 Monate, Henry/3) unterbring. Mein Ziel ist es, Kontinuität reinzubringen, mit mindestens drei Einheiten in der Woche.
oe24: Wie intensiv verfolgen Sie die aktuellen Weltcuprennen?
VEITH: Ich schau mir alles an, schließlich war das mein Leben. Wenn wir am Wochenende oft selbst draußen Skifahren sind, schau ich’s online nach.
oe24: Leiden Sie da mit Ihren Nachfolgerinnen, die es im Riesentorlauf jahrelang nicht aufs Podest geschafft haben?
VEITH: Natürlich würde ich es ihnen gönnen, wenn es besser laufen würde. Man sieht ja auch, wie sehr sie sich bemühen, aber der Skirennsport ist leider kein Wunschkonzert.
oe24: Apropos Wunschkonzert: Was trauen Sie Marcel Hirscher heuer noch zu?
VEITH: Von dem, was ich in Sölden gesehen habe, hat er es sehr gscheit gemacht und ist noch nicht ans Limit gegangen. Mit mehr Trainingstagen und mehr Rennen kann er sich noch ordentlich steigern. Es kann weit nach vorne gehen, ob sich ein Sieg ausgeht, trau ich mich nicht vorherzusagen.
Knut Okresek