Stocker, Babler und Meinl-Reisinger trafen pünktlich um 13 Uhr in der Hofburg ein.
146 Tage nach der Nationalratswahl kommt wieder Bewegung in den Prozess der Regierungsbildung. ÖVP, SPÖ und NEOS haben am Samstagvormittag ihre Gespräche über eine mögliche Regierungszusammenarbeit fortgesetzt. Wie oe24 erfuhr, konnten sich die drei Parteien auf eine Koalition einigen. Die Parteivorsitzenden Christian Stocker (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (NEOS) werden um 13.00 Uhr zu dritt Bundespräsident Alexander Van der Bellen über den Stand der Gespräche informieren.
Nach den im Anschluss geplanten Pressestatements dürfte dann klarer sein, wann eine neue Regierung zu erwarten ist. Sollten die NEOS als fixer Partner in eine Koalition eintreten, könnte eine Angelobung frühestens in einer Woche stattfinden. Denn die Pinken müssten den Eintritt in eine Regierung noch von ihren Mitgliedern absegnen lassen. Die offizielle Einladung zu einer Mitgliederversammlung, die laut Parteisatzung mindestens eine Woche vorher verschickt werden muss, ist bisher noch nicht rausgegangen, wie ein Sprecher am Samstag der APA bestätigte. Dies könnte frühestens am Nachmittag passieren, die Abstimmung daher frühestens am nächsten Samstag stattfinden.
Bedenken innerhalb der NEOS
Innerhalb der NEOS gibt es offenbar Bedenken über einen Eintritt in eine Regierung. Öffentlich äußerte diese am Samstag der Tiroler Abgeordnete Dominik Oberhofer: “Wir haben ein Angebot mit zwei Ministerien und ein Staatssekretariat, aber die Reformen vermisse ich. Die NEOS stehen für Reformen, nicht für Jobs”. Einem Koalitionspakt werde er nicht zustimmen, wenn er keine Reformen beinhalte, so der pinke Landesparteichef. Der erweiterte Parteivorstand der NEOS hatte am Donnerstag den Eintritt in die Gespräche mehrheitlich beschlossen, allerdings gab es laut vier Gegenstimmen.
Der Wiener Parteiobmann Christoph Wiederkehr hielt in seiner Rede bei der NEOS-Landesmitgliederversammlung zu den Gesprächen im Bund fest, dass das Finden von gemeinsamen Lösungen und von Kompromissen nötig sei. Dies sei die Verantwortung der Zentrumsparteien. “Wir brauchen ein Aufeinanderzugehen und den Willen etwas zu bewegen.” Nötig sei etwa eine “echte Aufholjagd” in der Bildung sowie eine Stärkung Europas, das verteidigungsfähig sein müsse. “Und wir brauchen eine Entlastung für Bürgerinnen und Bürger und eine Entbürokratisierung für Unternehmerinnen und Unternehmer.”
Doch vorher sei viel Arbeit zu erledigen, etwa was das Budget betreffe: “Denn das Land ist zuerst zu sanieren, bevor es aufblühen kann, das muss man ehrlich ansprechen.” “Eine breite Mehrheit mit uns macht nur dann Sinn, wenn es einen Unterschied macht und wir inhaltlich etwas voranbringen.” Die NEOS würden sich das in den “nächsten Stunden und Tagen” sehr genau ansehen und “sehr intensiv verhandeln”. Wenn es Sinn mache, werde man Verantwortung übernehmen, kündigte er an.
Der Termin bei Van der Bellen war ursprünglich bereits für Donnerstag, dann für Freitag avisiert, verzögerte sich aber, nachdem sich die Dreiergespräche offenbar zäher als erwartet gestalteten. Zumindest seit Donnerstag bemühen sich ÖVP und SPÖ nach einer Grundsatzeinigung in Sachen Budget um eine Einbindung der NEOS, um die sonst äußerst knappe türkis-rote Mehrheit im Nationalrat abzusichern. Anfang Jänner war ein erster Versuch zur Bildung einer türkis-rot-pinken Dreierkoalition nach monatelangen Verhandlungen gescheitert. Nach dem Platzen der FPÖ-ÖVP-Verhandlungen versucht man es nun zum zweiten Mal.
Grüne kritisieren Vorgehen
Kritik am Vorgehen übten die Grünen: “Es wird jetzt schon irgendwie seltsam verhandelt”, so Bundessprecher und Beamtenminister Werner Kogler bei der Landesversammlung der Wiener Grünen am Samstag. Es brauche Kompromissfähigkeit und vor allem eine Bereitschaft zu gemeinsamen Lösungen, meinte er vor allem in Richtung der NEOS und deren Ausstieg aus den ersten Dreierkoalitions-Gesprächen. “Man muss nicht jeden Kompromiss verteidigen, aber ohne Kompromiss kommen wir in einer Demokratie nicht weiter. Und das sollten sich die jetzt einmal vornehmen.” Die Hand der Grünen bleibe aber ausgestreckt: Man werde bei einer Einigung sicher keinen “rechten und rechtsextremen” Misstrauensanträgen im Parlament zustimmen – selbst wenn man mit vielem nicht übereinstimme werde. “Erst gilt es, das größte Unglück für unsere Freiheiten abzuwenden”, so Kogler in Richtung FPÖ.
Einen offiziellen Auftrag zur Regierungsbildung vonseiten des Bundespräsidenten an ÖVP-Chef Christian Stocker gibt es bisher nicht. Die Parteien wollten daher in den vergangenen Tagen auch nur von “Gesprächen” und nicht von “Verhandlungen” sprechen. De facto ist ein offizieller Auftrag auch nicht nötig und nirgends in der Verfassung festgeschrieben, sondern nur gelebte Praxis.