Das Buch der Schwestern: Der neue Wurf der belgisch-französischen Autorin ist da

Diese zwei können einfach nicht genug von einander bekommen: Nora und Florent sind auch nach Wochen, Monaten, Jahren und vielen gehässigen Bemerkungen aus ihrem Umfeld noch so verliebt wie am ersten Tag. Daran ändert auch die Geburt ihrer Tochter Tristane nichts.

Eigenes Leben Die Kleine versteht schnell, dass die engen Bande ihrer Eltern keinen Platz für sie zulassen, lebt in einer geheimen Welt und bringt sich in Ermangelung der Führung durch Erwachsene Lesen und Schreiben bei, bevor sie in die Schule kommt. Eines Tages geht ihr sehnlichster Wunsch in Erfüllung: Ihre Schwester Laeticia wird geboren und sie allein soll sich um sie kümmern. Nothomb beschreibt den Moment mit einer starken Metapher: „Zwei Seelen erkannten sich und hallten ineinander wider.“ Fortan sind die zwei unzertrennlich, was jedoch später – Überraschung – zu Problemen führt.

Lektüre wirft Fragen nach Kinderkriegen auf

Kritisch Nothomb hat in ihrem aktuellen Wurf einmal mehr Gesellschaftskritik unterhaltsam verpackt. Mit knapp 160 Seiten liest sich Das Buch der Schwestern rasch, doch eindrücklich bleiben die Themen im Kopf picken: Zu welchem Zweck bekommen wir Kinder, wie sollen wir mit ihnen leben und wieso ist es nach wie vor ein großes Tabu, sich keine zu wünschen? All diese Fragen schweben zwischen den geistreich formulierten Sätzen. Mit Hochgenuss scheint die Autorin gängige Ideen und unser starres Vorstellungskorsett aufbrechen zu wollen.

Kindliche Welt Wie bereits in einigen ihrer Bücher überzeugt die Autorin in den Passagen, wo es um Kinder und ihre Vorstellungskraft geht (hier, wenn Tristane ihren Spracherwerb schildert). Da öffnet sie literarisch eine Tür zu einer magischen Welt. Bezaubernd schön!

Skurril, fantasievoll & extravagant: Darum lese ich so gerne Nothomb

Als ich eines Abends im Jahr 2000 im kultigen Wiener Theater Drachengasse dank meiner klugen und lässigen Deutsch-Prof das Stück Die Reinheit des Mörders von der damals (zumindest im deutschsprachigen Raum) noch wenig bekannten Romanautorin Amélie Nothomb sah, war es zack um mich geschehen; etwas Vergleichbares hatte ich weder gelesen noch gesehen.

Der Text dreht sich um den alten, schwer kranken Literaturnobelpreisträger Prétextat Tach: Einigen wenigen Medienvertretern gewährt der alte Zyniker ein letztes Gespräch. Eine junge Journalistin stellt die richtigen Fragen und ein intensiver Dialog entspinnt sich zwischen den beiden.

Die Lektüre der Romanvorlage begeisterte mich bald noch mehr. Seitdem lese ich von No­thomb, was auch immer sie veröffentlicht. Meine Tipps an Sie, falls Ihnen die Autorin noch nicht vollends bekannt ist: Der belgische Konsul (die Geschichte über den Vater der Autorin), Quecksilber (ein makaberes Märchen über ein gefangenes Mädchen) oder die autobiografischen Japan-Geschichten Mit Staunen und Zittern und Der japanische Verlobte.

Amélie Nothomb: »Das Buch der Schwestern«

Nora und Florent lieben sich so innig, dass in ihrem Herzen kein Platz mehr für ihre Tochter übrig ist. Deshalb ist diese überglücklich, als ihre Schwester geboren wird. Fortan geben sie sich Geborgenheit. Diogenes

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