Albaniens Staatspräsident Bajram Begaj absolviert am Dienstag einen offiziellen Besuch in Österreich.
Am Vormittag empfängt Bundespräsident Alexander Van der Bellen den Allgemeinmediziner, der in die Armee eintrat und zum Generalstabschef avancierte, in der Hofburg. Albanien, das in Zeiten der kommunistischen Diktatur vom Rest der Welt weitgehend isoliert war und so zum Armenhaus Europas wurde, strebt an, in ein paar Jahren der EU beizutreten. Österreich unterstützt das.
Der 58-jährige Begaj ist seit Juli 2022 Präsident. Er wurde vom Parlament gewählt. Im traditionell aufgeheizten Klima zwischen Regierung und Opposition in Albanien sorgt der parlamentarische Wahlprozess regelmäßig für Konflikte und Querelen. Der von den regierenden Sozialisten des seit mehr als elf Jahren an der Macht befindlichen Ministerpräsidenten Edi Rama aufgestellte Begaj war erst im dritten Wahlgang erfolgreich, als ihm eine einfache Mehrheit reichte. Die oppositionellen Demokraten lehnten Begaj ab und boykottierten die Wahl.
Präsident wichtige Rolle
Albanien ist zwar eine parlamentarische Republik, die Rolle des Präsidenten geht aber doch über das Zeremonielle hinaus. Er teilt sich mit dem Ministerpräsidenten die Zuständigkeiten für die Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Kontrolle über die Armee. Gegen Gesetze kann er ein einmaliges Veto einlegen. Gleichwohl symbolisiert der albanische Präsident die Einheit des religiös in Muslime, Orthodoxe und Katholiken aufgespaltenen Volkes.
Vor fast genau zwei Jahren besuchte Van der Bellen seinen Amtskollegen in Tirana. “Wir möchten Albanien motivieren und ermutigen, die notwendigen Reformen gerade auch in diesen Bereichen engagiert fortzusetzen und sichtbare Resultate vorzuweisen, um auf dem EU-Integrationsweg rasch voranzuschreiten”, sagte der Bundespräsident damals. “Albanien und die Albaner haben seit 32 Jahren einem Traum, sich mit der Europäischen Union zu vereinigen”, betonte Begaj. Österreich befürwortet seit Jahrzehnten nicht nur die EU-Integration Albaniens, sondern auch der fünf anderen Westbalkanstaaten Serbien, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien, Montenegro und des Kosovo.
Langer Weg zurück “nach Europa”
In Albanien geschah die Wende nicht wie in den anderen kommunistischen Staaten Europas schon 1989. Erst Ende 1990, Anfang 1991 gingen die Massen auf die Straße. Der Sturz des stalinistischen Regimes, an dessen Spitze vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zu seinem Tod 1985 Enver Hoxha gestanden hatte, wurde von einer Massenflucht begleitet.
1997 erfolgte zudem ein Rückschritt, der eine weitere Massenflucht auslöste: Durch den Bankrott nach dem Schneeballprinzip arbeitender, die albanische Wirtschaft dominierender Geldanlagefirmen verloren Hunderttausende Albaner ihre privaten Ersparnisse. Damals half Österreichs Altbundeskanzler Franz Vranitzky im Namen der OSZE, dass Albanien nicht in einen Bürgerkrieg abglitt.
Für Italien wichtig
Dann ging es aber aufwärts: 2009 erfolgte der NATO-Beitritt, 2013 wurde der EU-Beitritt beantragt. Beitrittsverhandlungen wurden im Juli 2022 begonnen, gerade als Begaj das Präsidentenamt übernahm. Zuletzt wurde Albanien im November in den einheitlichen Euro-Zahlungsraum (SEPA) aufgenommen. Dass die EU-Erweiterung um die Westbalkanstaaten ansonsten nur zögerlich vom Fleck kommt, hat Premier Rama öfters kritisiert. Er will Albanien jedenfalls 2029 in der EU sehen.
Die Migrationspolitik der italienischen Regierung hat unterdessen gerade die Rolle Albaniens als Nicht-EU-Mitglied in den Fokus gerückt. Italien hat in einem bilateralen Abkommen mit Albanien zwei Aufnahmezentren für im Mittelmeer aufgegriffene bzw. gerettete Menschen errichtet. Dort – also außerhalb der EU – sollten italienische Beamte im Schnellverfahren über deren Asylanträge entscheiden. Die italienische Justiz hat das aber gestoppt. Nun befasst sich der EuGH damit. Nach neuen Plänen will Rom die Zentren nun quasi als Schubgefängnisse nutzen – für Asylwerber, deren Anträge von Italien bereits abgelehnt wurden. Andere EU-Staaten, darunter Österreich, beobachten das “Modellprojekt” zwecks möglicher Nachahmung genau.
Geschichtliche und Wirtschaftliche Verbindungen
Historisch haben Albanien und Österreich so einige Berührungspunkte: Die Habsburger-Monarchie unterstützte die 1912 erfolgte Unabhängigkeit Albaniens vom Osmanischen Reich tatkräftig. Das Schwert und der Helm des albanischen Nationalhelden Skanderbeg (Skënderbeu), der im 15. Jahrhundert als “Athlet Christi” noch erfolgreich gegen die Osmanen kämpfte, befinden sich im Kunsthistorischen Museum in Wien. Erzherzog Ferdinand II. von Tirol (1529-95) soll sie in Italien für seine Kunst- und Wunderkammer auf Schloss Ambras in Innsbruck erworben haben. Einem gebürtigen Albaner verdankt Österreich die Semmering-Bahn, dem Techniker Karl Ritter von Ghega, der einst auf dem 20-Schilling-Schein abgebildet war.
Wirtschaftlich betrachtet, stellt Österreich einer der wichtigsten Auslandsinvestoren in Albanien dar. Nach Schätzungen der Wirtschaftskammer dürfte das Wachstum 2024 vier Prozent betragen haben. Besonders der Tourismussektor hat in den letzten Jahren floriert. Auch die österreichischen Exporte steigen.
Bajram Begaj wird bei seinem Wien-Besuch von seiner Gattin Armanda begleitet. Er trifft neben dem Bundespräsidenten auch Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP).