Im Winter haben Viren, die die Atemwege angreifen, Hochsaison. Was tun, wenn die Symptome nicht mehr verschwinden?
Drei Tage kommt sie, drei Tage bleibt sie, drei Tage geht sie – diese ungefähre Regel galt bisher für eine Erkältung. Doch was ist, wenn der Infekt nicht verschwindet? Ähnlich wie Long Covid beschreiben Forscher das Phänomen Long Cold: Auch nach einer Grippe oder einer Erkältung leiden manche Betroffenen noch Wochen oder Monate unter Symptomen. Welche das sind und was zu tun ist, haben wir Prim. Dr.in Jasmin Kechvar gefragt.
Wie lange dauert eine normale Erkältung in der Regel?
Prim. Jasmin Kechvar: Eine Erkältung klingt in den meisten Fällen innerhalb von ein bis zwei Wochen von selbst wieder ab. Die genaue Dauer hängt jedoch von mehreren Faktoren ab, darunter die Art des Erregers (viraler oder bakterieller Infekt), Vorerkrankungen und die individuelle Immunabwehr. Während Symptome wie Halsschmerzen, Schnupfen sowie Kopf- und Gliederschmerzen oft schon nach wenigen Tagen abklingen, kann insbesondere der Husten oder eine allgemeine körperliche Erschöpfung bis zu drei Wochen anhalten.
Nicht nur Covid-19, auch Atemwegsinfektionen können zu lang anhaltenden Symptomen führen. Forscher sprechen von „Long Cold“. Was ist das und welche Symptome können auftreten?
Prim. Kechvar: Das Phänomen „Long Cold“ bezeichnet das Fortbestehen von Beschwerden über Wochen oder sogar Monate nach einer Erkältung oder Grippe. Betroffene klagen über Symptome wie chronische Müdigkeit, Muskel- und Kopfschmerzen, anhaltenden Husten, Schnupfen sowie neuralgische Schmerzen (Anm.: Nervenschmerzen). Studien zeigen, dass sich die Beschwerden von Long Cold und Long Covid teilweise ähneln. Die genauen Ursachen und Mechanismen sind noch nicht abschließend erforscht.
Wann sollte man unbedingt eine ärztliche Untersuchung in Anspruch nehmen?
Prim. Kechvar: Wenn die Beschwerden nach drei Wochen nicht abklingen oder sich sogar verschlimmern, sollte dringend ein Spezialist aufgesucht werden. Dazu zählen Fachärzt:innen für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Innere Medizin und Neurologie. Es ist wichtig, schwerwiegende Folgeerkrankungen, wie eine Herzmuskelentzündung, chronische Nasennebenhöhlenentzündung oder postinfektiöse neurologische Erkrankungen wie z. B. eine chronische Meningitis (Hirnhautentzündung) oder eine postinfektiöse Polyneuropathie (Nervenerkrankung) auszuschließen. Bei anhaltendem Husten oder körperlicher Erschöpfung ist eine medizinische Abklärung unerlässlich.
An welchen Arzt beziehungsweise welche Ärztin kann ich mich bei hartnäckigem Husten wenden?
Prim. Kechvar: Wenn ein Husten über einen längeren Zeitraum bestehen bleibt, ist eine Untersuchung durch Fachärzt:innen für Pulmologie (Anm.: Lungenheilkunde) ratsam. Hier kann unter anderem ein Lungenröntgen angeordnet werden, um schwerwiegendere Erkrankungen auszuschließen. Neben einer gezielten medikamentösen Therapie können auch alternative Heilmethoden Linderung verschaffen. Regelmäßige Inhalationen, Brustwickel mit Kräutern sowie Heiltees aus Thymian, Spitzwegerich oder Eibisch sind bewährte Hausmittel. Zudem helfen ätherische Öle wie Eukalyptus dabei, die Atemwege zu befreien. Wichtig ist es außerdem, den Körper warmzuhalten und ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen.
Auch chronische Müdigkeit tritt oft nach Viruserkrankungen auf…
Prim.Kechvar: Bei der Behandlung von chronischer Müdigkeit, bzw. dem Erschöpfungssyndrom (CFS) muss sehr individuell vorgegangen und auch die Vorgeschichte in die Betrachtung miteinbezogen werden. Je nach individuellem Befund, erfolgt eine medizinische Therapie mit nervenstabilisierenden Medikamenten. Abhängig vom Blutbefund sind zudem spezielle pflanzliche Wirkstoffe wie hoch dosiertes Ginkgo, Vitamin C, D sowie der Vitamin B-Komplex zumeist sehr hilfreich. Auch Nahrungsergänzungsmittel mit Spurenelementen wie Magnesium und Coenzym Q10, kombiniert mit hoch dosierten Antioxidantien, können den Therapieerfolg bei Tagesmüdigkeit und Erschöpfung unterstützen. In schweren Krankheitsfällen ist die Verabreichung der Wirkstoffe in Form einer Infusionstherapie sinnvoll. Durchaus förderlich bei chronischer Müdigkeit sind auch Biofeedback und gezielte Konzentrations- und Gedächtnisübungen mit Computerprogrammen. Sehr wichtig ist auch ein langsames, aber kontinuierliches körperliches Aufbautraining. Dieses individuelle, vorsichtig anzugehende Energiemanagement (Anm.: „Pacing“) sollte unter ärztlicher Betreuung stattfinden. Wichtig ist, dass die geschilderten Maßnahmen von Fachärzt:innen begleitet und bei Bedarf immer wieder angepasst werden.
Dauern Erkältungskrankheiten allgemein länger als früher?
Prim. Kechvar: Viele Menschen haben das Gefühl, dass sie früher schneller wieder gesund wurden. Dies könnte daran liegen, dass die Anforderungen im beruflichen und privaten Alltag zugenommen haben und dadurch das Stresslevel höher ist. Stress schwächt bekanntermaßen das Immunsystem, was dazu führen kann, dass Infekte länger andauern. Ein weiterer Faktor ist der Lebensstil: Da viele stundenlang am Computer arbeiten, fehlen die frische Luft und der Ausgleich in der Natur, um das Immunsystem wieder zu stärken. Zu wenig Bewegung und die falsche Ernährung, kombiniert mit einem Zuwenig an Nährstoffen, schwächen die körpereigene Abwehr ebenso wie ein Mangel an Sonnenlicht in den Wintermonaten und der daraus resultierende niedrige Vitamin-D-Spiegel.
Und wenn der Dauerschnupfen überhaupt keine Erkältung ist?
Prim. Kechvar: Ein anhaltender Schnupfen kann auch andere Ursachen haben. In solchen Fällen empfehle ich eine Abklärung beim HNO-Arzt, da die Symptome unter anderem auf eine Nasennebenhöhlenentzündung oder eine Allergie hindeuten könnten. Hier können ein Blutbild und gegebenenfalls weitere Untersuchungen Klarheit schaffen. Besonders wichtig ist es, zwischen einem Infekt und einer allergischen Reaktion zu unterscheiden, da sich die Behandlung in diesen Fällen erheblich unterscheidet.
Medikamente lindern die Symptome. Kann man es auch übertreiben?
Prim. Kechvar: Ja, es ist möglich, Medikamente in einer Weise zu verwenden, die mehr schadet als nutzt. Daher sollten Medikamente stets in Absprache mit dem behandelnden Arzt/der Ärztin eingenommen werden. Beispielsweise können Nasensprays die Schleimhäute austrocknen und zur Abhängigkeit führen. Auch der unbedachte Einsatz von Antibiotika kann problematisch sein. Zudem können einige Medikamente das Immunsystem und den Verdauungstrakt belasten.
Booster für Ihre Abwehr
Ein starkes Immunsystem ist der Schlüssel, um Erkältungen vorzubeugen und schneller wieder gesund zu werden. Wie Sie mit der Ernährung das Immunsystem unterstützen können:
Antioxidantien
Sie schützen die Zellen vor schädlichen freien Radikalen und stärken so das Immunsystem. Setzen Sie auf Obst und Gemüse mit intensiven Farben: Heidelbeeren, Granatapfel, rote Paprika und Spinat sind reich an Vitamin C, E und sekundären Pflanzenstoffen, die die Abwehr unterstützen.
Heilpflanzen und Kräuter
Echinacea (Sonnenhut), als Tee oder in Tropfenform, stärkt die Abwehrkräfte. Thymian wirkt antibakteriell und antiviral – ideal als Tee oder in der Küche. Schwarzkümmelöl stabilisiert das Immunsystem. Salbei ist perfekt bei Halsschmerzen oder zur Stärkung der Atemwege.
Darmgesundheit stärken
Ein Großteil unseres Immunsystems sitzt im Darm. Probiotische Lebensmittel wie Joghurt, Kefir, Sauerkraut oder Kimchi unterstützen die Darmflora, während Präbiotika (z. B. in Haferflocken, Bananen oder Chicorée) den guten Bakterien die Nahrung liefern.
Omega-3-Fettsäuren
Wie sie in fettem Fisch (z. B. Lachs, Makrele), Leinsamen oder Walnüssen enthalten sind, haben entzündungshemmende Eigenschaften. Sie unterstützen das Immunsystem und wirken präventiv gegen chronische Entzündungen.
Ausreichend trinken
Eine gute Hydration unterstützt die Schleimhäute dabei, Viren und Bakterien abzuwehren. Achten Sie darauf, täglich mindestens 1,5–2 Liter Wasser oder ungesüßten Tee zu trinken.