Als Wahlmotiv ist die Corona-Pandemie weniger wichtig als oft gedacht – gerade Wählerinnen und Wähler der FPÖ mobilisiert das Thema aber immer noch.  

So gaben bei der Nationalratswahl im vorigen September 34 Prozent der FPÖ-Wähler an, im Wahlkampf sehr häufig über “Corona” gesprochen zu haben – doppelt so viele wie im Durchschnitt der Wahlberechtigten. Wichtiger waren bei fast allen Wahlen seit 2021 aber andere Themen – vor allem Inflation und zuletzt auch Zuwanderung.

Welche Themen im Wahlkampf besonders häufig diskutiert werden, wertet Foresight gemeinsam mit dem Institut für Strategieanalysen (ISA) bei jeder Wahl für den ORF aus. Die Pandemie schaffte es dabei nur zweimal auf den ersten Platz – und zwar bei den Landtagswahlen in Wien 2020 und Oberösterreich 2021. Hier gaben jeweils 46 Prozent der oberösterreichischen Wähler an, im Wahlkampf sehr häufig über die Pandemie gesprochen zu haben. Bei den blauen Wählern waren es noch mehr (51 bzw. 55 Prozent).

Harter blauer Corona-Schwenk

Damals hatte die FPÖ ihren harten Schwenk in der Corona-Politik bereits vollzogen: Zu Beginn der Pandemie hatte Parteichef Herbert Kickl noch einen harten Lockdown zur Eindämmung der Pandemie gefordert. Ab April 2020 fuhr die FPÖ dann aber eine bis heute anhaltende populistische Kampagne gegen die Corona-Maßnahmen.

Den Aufstieg der coronaskeptischen Partei MFG konnten die Blauen damit stoppen. Doch schon bei der Tiroler Landtagswahl 2022 dominierten in den Wahltagsbefragungen wieder andere Themen – allen voran die mit dem Anstieg der Energiepreise durch den russischen Ukraine-Krieg massiv befeuerte Teuerung. “Inflation und steigende Preise” standen seither bei fünf von sieben Wahlen ganz oben auf der Themenliste, so auch bei der Nationalratswahl. Bei der EU-Wahl und der Vorarlberger Landtagswahl war die Zuwanderung meistdiskutiertes Thema.

Rückkehr zur “Normalwahl”

Für die Wahlforscherin Julia Partheymüller von der Universität Wien war die Nationalratswahl, mit dem erstmaligen Wahlsieg der FPÖ, daher eher eine Rückkehr zur “Normalwahl”. “Die FPÖ hatte schon 2017 26 Prozent, jetzt hat sie 28.” Der eigentliche Ausreißer war aus ihrer Sicht die Nationalratswahl 2019 mit dem Absturz der FPÖ nach dem Ibiza-Skandal. Nun sei die “Rückwanderungsbewegung” erfolgt. “Corona hat eine Rolle gespielt, aber nicht so wie sich viele Leute das vorstellen”, sagt Partheymüller gegenüber der APA. Auch der weltweite Aufschwung der populistischen Parteien habe nicht in der Pandemie stattgefunden, sondern danach: Covid sei für populistische Parteien kein zentrales Erfolgskriterium gewesen.

Christoph Hofinger vom Foresight-Institut sieht dennoch einen wesentlichen Mobilisierungseffekt der Pandemie auch bald zwei Jahre nach ihrem unmittelbaren Ende. “Das Thema spielt insgesamt keine besondere Rolle, aber es gibt einen Teil der FPÖ-Wähler, für die es wichtig ist”, sagt Hofinger mit Blick auf die Wahlbefragungen. Hier gaben bei der Nationalratswahl immer noch 34 Prozent der FPÖ-Wähler an, im Wahlkampf sehr häufig über “Corona” diskutiert zu haben. Damit liegt das Thema zwar nur an achter Stelle der blauen Themenliste, aber fast gleichauf mit der Wirtschaft und vor den Pensionen. So ein Thema könne schon ein paar Prozentpunkte bewegen, meint Hofinger und betont, “dass es nicht sicher ist, ob die FPÖ am 29. September ohne dieses Thema die Nummer Eins geworden wäre”.

Höhere Corona-Sterblichkeit in blauen Hochburgen

Die Auswirkungen des Corona-Schwenks der FPÖ hat Patrick Mellacher von der Universität Graz untersucht. Er hat dazu die Umfrageergebnisse des Austrian Corona Panel Project mit den offiziellen Covid-Statistiken abgeglichen. Demnach waren die FPÖ-Anhänger nur in ihrer Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik vereint: Ein überdurchschnittlich hoher Anteil der FPÖ-Wähler wollte (wie von Kickl gefordert) schärfere Maßnahmen, vielen anderen gingen aber bereits die damals bestehenden Maßnahmen zu weit. Nachdem die FPÖ den Schwenk zum “Corona-Populismus” vollzogen hatte, war die Situation geklärt: FPÖ-Anhänger gaben in Befragungen deutlich öfter an, die Gefahr für übertrieben zu halten.

Dies dürfte auch dazu geführt haben, dass die Bevölkerung in FPÖ-Hochburgen die Eindämmungsmaßnahmen häufiger ignoriert hat – mit entsprechenden gesundheitlichen Folgen. Mellacher hat dazu die Entwicklung der Corona-Todesfälle in den einzelnen Bezirken mit dem dortigen FPÖ-Wahlergebnis der Nationalratswahl 2019 verglichen. Ergebnis: Bezirke mit einem höheren FPÖ-Wähleranteil verzeichneten in der zweiten Infektionswelle (also nach dem blauen Corona-Schwenk) mehr Corona-Tote als Bezirke mit weniger FPÖ-Anhängern. “Insbesondere für die Winterwelle 2020/21 gibt es einen starken Unterschied bei der Sterblichkeit zwischen FPÖ-Hochburgen und Bezirken, wo die FPÖ weniger stark ist”, sagt Mellacher.

In ganz Österreich sind in den Jahren 2020 bis 2023 insgesamt 23.390 Menschen an Covid-19 gestorben. Besonders hoch war die Sterblichkeit im Winter 2020. Diese Zahlen beruhen auf den von der Statistik Austria ausgewerteten Totenscheinen, enthalten also lediglich die tatsächlich an den Folgen einer Covid-Erkrankung verstorbenen Menschen. Zusätzlich registrierte die Statistik Austria in den Jahren 2020 bis 2022 noch 4.304 Verstorbene in Österreich, bei denen Covid nicht als Todesursache gewertet wurde, sondern als Begleitkrankheit.

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